Angel Eyes. Im Bann der Dunkelheit (German Edition)
verrät plötzlich Begehren – unbändige Lust. Sie kann gar nicht schnell genug zu Taylor kommen. Ich will Angelique wegstoßen, aber Taylor schubst mich mit der freien Hand. Sie packte Angelique und stößt sich im selben Moment das Messer in den Bauch.
Ich kann mich vor Schreck nicht rühren, als Taylor zu meinen Füßen niedersinkt.
Ich höre mich schreien. Dann beuge ich mich über Taylor und drücke die Hand auf die blutende Stichwunde.
Um den Verstand nicht zu verlieren, würde ich ihn am liebsten ganz ausschalten, doch ich bemühe mich mit aller Kraft, mich auf Taylor zu konzentrieren. Sie schaut verwirrt zu mir auf. Ein mattes Stöhnen entsteigt ihrer Kehle, ihre Augenlider flattern. Voller Panik sehe ich mich um, doch Angelique steht mit dem blutigen Messer in der Hand neben dem Schuppen, eng umschlungen von Marc.
«Hol Hilfe!», schreie ich sie an.
Sie schüttelt den Kopf. «Das war die einzige Möglichkeit, Fee. Du hast mir keine Wahl gelassen.»
Ich hyperventiliere, denn es ist unglaublich anstrengend, so fest auf Taylors Wunde zu drücken. Das Blut bildet am Boden bereits eine Lache. «O Gott.» Tränen laufen heiß über meine Wangen und tropfen auf Taylors blasses Gesicht. Sie hustet, und Blut quillt aus ihrem Mund.
Mit blutiger Hand fummele ich mein Handy aus der Tasche. Es flutscht mir zweimal weg, bevor ich mit zitternden Fingern den Notruf wählen kann.
«Meine Freundin ist niedergestochen worden», schluchze ich ins Telefon, als jemand rangeht.
Sie wollen Einzelheiten wissen, doch ich bekomme keine Gelegenheit, sie ihnen zugeben, denn das Handy wird mir entrissen.
Als ich aufschaue, steht Marc über mir. Er zuckt lächelnd die Achseln, schaltet das Handy aus und wirft es in den Wald.
«O Gott! Taylor, du wirst nicht sterben», flüstere ich mit zugeschnürter Kehle. «Hilfe!», schreie ich mit letzter Kraft. Aber es ist wie in einem Albtraum, bei dem man keinen Ton herausbringt, sosehr man es auch versucht. Mein Schrei klingt erstickt.
«Sie hören dich nicht. Nicht bei der Musik», sagt Angelique.
Und da höre ich es: «How to Save a Life» von The Fray ertönt aus einer Stereoanlage.
Ich kann ein Wimmern nicht unterdrücken. Es klingt so jämmerlich und schwach – wie das Wehklagen eines verletzten Tiers.
Ich bin so schwach. Und ich war so dumm, mir einzubilden, ich könne mit meiner Macht etwas ausrichten.
«O Gott», winsele ich, während meine Tränen auf Taylors T-Shirt tropfen und sich mit ihrem Blut vermischen.
Plötzlich geht mir auf, dass ihre schwachen, unregelmäßigen Atemzüge aufgehört haben.
«Nein! Du stirbst nicht», wiederhole ich immer wieder, drücke auf ihre Brust und beatme sie. Ich schmecke ihr warmes, metallisches Blut. Jedes Mal wenn ich den Kopf hebe, schreie ich um Hilfe.
«Doch. Sie ist tot.» Angelique hat den Blick auf Taylor gerichtet. Sie klingt beinahe traurig. Ja, sie sieht um einiges menschlicher aus, seitdem Lilith von in Besitz genommen hat. Sie macht einen Schritt nach vorn. «Ich spüre deinen Zorn. Du wünschst dir meinen Tod, oder nicht?»
Und plötzlich stimmt das. Heißer Zorn durchfährt mich. Meiner Kehle entsteigt ein urzeitlicher Schrei, und ich stürze mich auf sie und werfe sie zu Boden.
Sie windet sich unter mir, aber ihr weicher Körper ist meinen acht Jahren Judotraining nicht gewachsen. Ich muss mich nicht einmal anstrengen, um sie im Würgegriff zu halten.
Das Messer.
Eine Hand, die ein Messer hält, schwebt über Angeliques Brust.
Meine Hand?
Ist das meine Hand? Ich weiß es nicht. Die Bilder sind zu flüchtig, mein Gehirn kann sie nicht zuordnen.
Aber dann höre ich Angelique flüstern: «Tu’s, Fee! Tu’s einfach!»
Ich schüttele den Kopf, um meine Gedanken zu ordnen, und betrachte Angelique. Sie wehrt sich nicht mehr. Sie lächelt zu mir auf und legt die Hand um meine Hand am Heft des Messers. Ich löse den Griff um ihren Hals und verlagere das Gewicht auf die Beine, während ich beobachte, wie die Klinge die Haut durchtrennt. Der Blutstropfen an der Messerspitze wird größer, dann rollt ein rotes Rinnsal über Angeliques Brust. Ihre Hand umfasst meine Hand mit dem Messer fester, und ich werde ganz aufgeregt bei der Vorstellung, es in sie zu rammen.
Mit der anderen Hand packt sie in mein Haar. Ich will mich wehren, bis ich merke, dass sie nicht mit mir kämpft. Sie zieht mich näher, und ich glaube, sie will mir etwas sagen. Aber als mein Gesicht dicht vor ihrem ist, hebt sie den Kopf und küsst mich.
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