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Angela Merkel – Die Zauder-Künstlerin (German Edition)

Angela Merkel – Die Zauder-Künstlerin (German Edition)

Titel: Angela Merkel – Die Zauder-Künstlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolaus Blome
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›alternativlos‹ nicht mehr sagen darf.« Sie weiß, sie hat es sich zu einfach gemacht. »Alternativlos« ist eben auch ein anderes Wort für: ›Ich will nicht mehr diskutieren; ihr haltet jetzt alle mal die Klappe.‹ Und so denkt Angela Merkel in Wahrheit weiterhin ziemlich oft. Statt »alternativlos« sagt die Kanzlerin jetzt: »Scheitert der Euro, scheitert Europa.« Das ist natürlich dasselbe, es klingt nur deutlich besser.
    Angela Merkel ist nicht blind für den Preis, den sie für ihre Art von Politik zu zahlen hat. Bei einem EU-Treffen in Cannes Ende 2011 legt der griechische Premier Giorgos Papandreou völlig überraschend den Plan vor, das Volk über die beschlossenen Reform-Auflagen abstimmen zu lassen, derweil die anderen Euro-Staaten aber schon neue Hilfs-Milliarden gewähren sollten. Da machen Merkel und der französische Staatspräsident dem Griechen erregt klar, dass er dann über das Eigentliche, den Austritt seines Landes aus der Euro-Zone, abstimmen lassen müsse. Zum ersten Mal ist der griechische Euro-Austritt in diesem Moment eine echte politische Option – nach fast zwei Jahren Merkel-typischen Zögerns. »Es war der Moment für ein paar bittere Wahrheiten«, sagt die Kanzlerin hinterher. »Die Zeit des Wegguckens ist vorbei.« Auf die Nachfrage, ob sie selbst auch zu diesem Weggucken 18 Monate lang massiv beigetragen habe, kommt Merkel für einen Moment aus dem Tritt. Dann offenbart sie noch einmal ihr Politik-Muster: Sie habe doch erst einmal wenigsten ein paar Institutionen haben müssen, die es so gesehen hätten wie sie. Vielleicht hätten deshalb die griechischen Programme erst zwei oder drei Mal scheitern müssen. Führung fühlt sich anders an, wohl wahr.
    Wie sehr eingefahren ihr Politikstil inzwischen ist, für sie selbst wie fürs Publikum, das merkt man immer dann, wenn es plötzlich ganz anders kommt.
    Ein solcher Moment ist der späte Nachmittag des 19. Februar 2012, die machtpolitisch hoch heikle Kür des Nachfolgers für den wenige Tage zuvor zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff. Wieder hat Angela Merkel die Sache vom Ende her gedacht, wieder soll Zögern ihre schärfste Waffe sein. Nach zwei vorzeitigen Rücktritten und wegen äußerst knapper Mehrheiten in der Bundesversammlung weiß sie, dass ein überparteilicher Kandidat herauskommen muss. Das ist das Ende, von dem aus sie denkt. Ihr Zögern soll bei SPD und Grünen jene Kräfte stark machen, die einen zweiten Anlauf mit deren ursprünglichem Kandidaten Joachim Gauck nicht wollen. Und diese Kräfte gibt es bis in den Nachmittag des Sonntags hinein; Merkel hat die richtigen Informationen, vor allem aus der SPD -Parteispitze. Was sie nicht sieht, ist das Kalkül der taumelnden FDP , die Kante zeigen und endlich einmal wieder auf der Seite der Mehrheit stehen will. FDP -Chef Philipp Rösler legt sich früh am Nachmittag auf Gauck fest, und er denkt so simpel, wie es eigentlich Merkels Art ist. Er denkt: Wer Gauck verhindern will, der wird es den Menschen draußen nicht erklären können, die warum auch immer allesamt diesen Gauck wollen. Er behält recht: Die SPD dreht bei, die Grünen auch. Die Sache ist nicht mehr zu ändern. Merkel wird in ihrer Königsdisziplin geschlagen, im Vom-Ende-her-Denken.
    Auch der andere Moment in acht Jahren Kanzlerschaft, der die so oft »Physikerin« genannte Kanzlerin nach ganz anderen als physikalischen Regeln verfahren lässt, hat ein präzises Datum: 12. März 2011, 15.36 Uhr, der japanische Atomunfall, bei dem mehrere Kraftwerksblöcke in Fukushima heiß laufen, schmelzen, schließlich explodieren. »Das Ende des Atomzeitalters«, schreibt der Spiegel auf seinen eilends geänderten Titel. Nicht in Japan, aber in Deutschland.
    So sieht es die Kanzlerin auch. Von diesem Ende aus denkt sie alles, was sie in den nächsten Tagen entscheiden wird: die (vermeintlich) zeitweilige Abschaltung von acht älteren Atomkraftwerken in Deutschland; die Einberufung einer Kommission für einen neuen Atomkonsens im Land; die Rückabwicklung der gerade erst sechs Monate alten Laufzeit-Verlängerung, dem einzigen Stück Politik, das die Union/ FDP -Koalition von der großen Koalition erkennbar unterschieden hatte. »Das Ende des Atomzeitalters«, von diesem Ende her ist alles gedacht. Aber ganz anders als sonst ist es aus dem Bauch gedacht.
    Die Atom-Entscheidung passt nicht ins Muster Merkels, in keinerlei Hinsicht. Ob das zu ihrem Vorteil ausschlägt oder zu ihrem Nachteil, ist nicht

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