Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Frau.
Nach nur einem Tag Schrubben im Waschzuber sind meine Hände geschwollen und rot. Ich habe schon von trockenen, aufgeplatzten Händen gehört, wusste aber bis jetzt noch nicht, was das bedeutet. Als sie ein paar Minuten nicht mehr im Wasser sind, bekommen sie Risse, die aussehen, als hätte jemand eine Rasierklinge genommen und mir die Haut aufgeschlitzt. Es ist komisch, die eigene Hand so zerschnitten zu sehen, als wäre sie sogar zu trocken, um zu bluten.
Als mir die anderen Waschsklavinnen heute Morgen ein Paar gelber Gummihandschuhe angeboten haben, habe ich abgelehnt, weil ich fand, dass so was nur zimperliche alte Leute benutzen. Sie haben mich so besserwisserisch angeschaut, dass mein Stolz es mir verboten hat, beim Mittagessen danach zu fragen.
Jetzt ziehe ich jedoch so langsam in Erwägung, über meinen Schatten zu springen und um die Handschuhe zu bitten. Gut, dass ich nicht vorhabe, das morgen noch mal zu tun.
Ich sehe mich um, dehne meine Arme und frage mich, wann mich diese Anita wohl angreift. Ich wäre echt sauer, wenn sie wartet, bis mein Arbeitstag vorbei ist. Was für einen Sinn hat es, sich mit einer Frau zu kloppen, wenn man sich dafür nicht wenigstens vor einer Stunde harter Arbeit drücken kann?
Ich nehme mir Zeit für mein Stretching. Langsam strecke ich meine Arme über den Kopf in die Luft und biege meinen Rücken so weit es geht durch.
Mein Nacken schmerzt, mein Rücken schmerzt, meine Arme und Hände schmerzen, meine Beine und Füße schmer zen, ja sogar meine Augäpfel tun weh. Einige meiner Muskeln protestieren wegen der stundenlangen, immer gleichen Bewegungen, andere sind ganz steif, weil ich sie die ganze Zeit über still gehalten habe. Unter diesen Bedingungen muss ich den Kampf gar nicht absichtlich verlieren, ich werde ganz ehrlich scheitern.
Während ich meine Beine ausstrecke, tue ich so, als würde ich die Männer vom Klodienst nicht bemerken, die auf uns zukommen. Sie sind ungefähr zu zehnt, Raffe hängt ganz hinten in dem Grüppchen rum.
Als sie bloß noch ein paar Schritte weit weg sind, fangen sie an, sich ihre schmutzigen Kleider auszuziehen. Schmuddelige Shirts, Hosen und Socken werden auf den Wäschestapel geworfen, ein paar Sachen wandern direkt in den Müll. Raffe hat die Grube ausgehoben, statt im wirklich toxischen Teil der Latrinen zu arbeiten. Doch nicht alle haben so viel Glück. Das Einzige, was sie anbehalten, sind ihre Boxershorts.
Ich bemühe mich, Raffe nicht anzusehen, als mir klar wird, dass man von ihm erwarten wird, sein Hemd auszuziehen. Die Verbände kann er ja vielleicht noch erklären, nicht aber die Blutflecke, die sich genau dort befinden, wo normalerweise seine Flügel gewesen wären.
Ich strecke die Arme über meinen Kopf und versuche, nicht zu verängstigt auszusehen. Mit angehaltenem Atem hoffe ich, die Männer werden weitergehen und nicht merken, dass Raffe hinter ihnen zurückbleibt.
Doch statt zum Duschen in die Häuser zu gehen, greifen sie nach dem Schlauch, den wir zum Auffüllen unserer Bottiche benutzt haben. Sie stellen sich in einer Reihe auf, um einander abzuspritzen. Ich könnte mich ohrfeigen, dass ich das nicht vorhergesehen habe. Natürlich spritzen sie sich zuerst ab. Wer würde schon wollen, dass Latrinenarbeiter direkt in die gemeinsamen Duschen gehen?
Ich werfe Raffe einen verstohlenen Blick zu. Er behält die Nerven, doch an der Art, wie er im Zeitlupentempo sein Hemd aufknöpft, erkenne ich, dass auch er das nicht hat kommen sehen.
Er muss sich gedacht haben, dass er sich heimlich würde davonmachen können, wenn die anderen erst im Haus wären, denn in den Duschen ist ja nicht für alle gleichzeitig Platz. Doch es gibt keine gute Entschuldigung, um dem routinemäßigen Entkleiden zu entgehen und erst recht keine Möglichkeit, dies unbemerkt zu tun.
Raffe knöpft sein Hemd ganz auf, doch anstatt es auszuziehen, macht er langsam mit den Knöpfen seiner Jeans weiter. Alle um ihn herum sind bereits ausgezogen. Er beginnt aufzufallen. Gerade, als ich mich frage, ob wir einfach ganz dreist weglaufen sollen, kommt die Lösung unseres Problems auf langen, wohlgeformten Beinen auf uns zugeschlendert.
Die Frau, die mit Raffe zum Mittagessen gegangen ist, wirft ihr honigblondes Haar zurück, blickt zu ihm auf und lächelt.
Wie aufs Stichwort kommen Dei-Dum vorbei. »Oh, hallo, Anita!«, rufen sie beiläufig überrascht. Sie heben ein wenig die Stimme, als wollten sie sicherstellen, dass ich sie auch wirklich
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