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Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Ee
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Kommando, bricht Chaos in der Menge aus.
    Soldaten greifen nach ihren Pistolen und Gewehren und stürmen in Richtung der Bäume, woher der Schrei kam. Auf einmal beginnen alle gleichzeitig zu sprechen, manche weinen. Einige rennen in diese, andere in jene Richtung. Es ist ein Gewimmel aus Lärm und Verwirrung an der Grenze zur Panik. Ähnlich wie ihre Hunde sind auch die Männer nicht so gut ausgebildet, wie Obi es gerne hätte.
    Anita krabbelt von mir herunter, das Weiße um ihre Iris ist deutlich sichtbar. Sie rennt hinter der größten Gruppe her in die Kantine. Ich stehe auf, hin- und hergerissen zwischen dem Impuls, nachzusehen, was passiert ist, und dem instinktiven Bedürfnis, im relativen Schutz der Masse unterzutauchen.
    Plötzlich ist Raffe an meiner Seite und fragt flüsternd: »Wo sind die Flügel?«
    »Was?«
    »Wo hast du sie versteckt?«
    »In einem Baum.«
    Er seufzt, offensichtlich um Geduld bemüht. »Geht’s etwas genauer?«
    Ich deute in die Richtung, aus der der Schrei kam und in die gerade die letzten Soldaten verschwinden.
    »Kannst du mir sagen, wie ich sie finde, oder musst du mir den Weg zeigen?«
    »Ich muss ihn dir zeigen.«
    »Dann los.«
    »Jetzt?«
    »Kannst du dir einen besseren Zeitpunkt vorstellen?«
    Ich blicke mich um. Die Leute drängen sich noch immer um ihre Ausrüstungen und sprinten in eins der Gebäude. Niemand würdigt uns eines Blickes. Keiner würde es merken, wenn wir in diesem Durcheinander verschwinden.
    Aber da ist natürlich auch noch der Grund für die ganze Panik …
    Meine Gedanken müssen mir ins Gesicht geschrieben stehen, denn Raffe drängt: »Entweder sagst du es mir, oder du zeigst er mir. Aber es muss jetzt sofort sein.«
    Die Dämmerung um uns herum geht rasch in Dunkelheit über. Bei dem Gedanken, jetzt durch den Wald zu laufen, in dem sich etwas befindet, das einen bewaffneten Soldaten derart zum Schreien gebracht hat, kribbelt meine Haut.
    Aber ich kann Raffe nicht ohne mich gehen lassen. Ich nicke.
    Wir huschen in die dunkler werdenden Schatten zu dem Pfad, der dem Wald am nächsten ist. Halb gehen wir auf Zehenspitzen, halb rennen wir.
    Gewehrsalven werden in rascher, einander überlagernder Folge abgefeuert. Einige Pistolen feuern zur gleichen Zeit irgendwo in den Wäldern Schüsse ab. Vielleicht ist das hier doch keine so gute Idee.
    Und als hätte ich nicht schon genug Angst, hallen Schreie durch die heraufziehende Nacht.
    Als wir schließlich über das freie Feld in Richtung des Gebiets sprinten, wo Bäume uns Schutz bieten, ist es totenstill in den Wäldern. Nicht das geringste Rascheln, keine Vögel, keine Eichhörnchen – nichts stört die plötzliche Stille. Das Licht schwindet schnell, aber es ist noch hell genug, um das Massaker sehen zu können.
    Ungefähr ein Dutzend Soldaten waren in Richtung der Schreie gerannt – jetzt stehen nur noch fünf von ihnen aufrecht.
    Der Rest liegt über den Boden verstreut wie ein Haufen kaputter Puppen, die ein wütendes Kind weggeworfen hat. Und wie bei kaputten Puppen fehlen ihnen Körperteile. Ein Arm, ein Bein, ein Kopf. Die abgerissenen Gliedmaßen sind zerfetzt und blutig.
    Alles ist mit Blut bespritzt – die Bäume, die Erde, die Soldaten. Das schwächer werdende Licht hat alles entfärbt, sodass es aussieht, als würde Öl von den Ästen tropfen.
    Die übrig gebliebenen Soldaten haben sich im Kreis aufgestellt, ihre Gewehrläufe zeigen nach außen.
    Mich verwirrt, wie sie die Gewehre halten, der seltsame Winkel. Nicht geradeaus oder nach oben gerichtet, etwa auf einen Feind, der sich zu Fuß heranpirscht oder in der Luft fliegt. Und die Gewehrläufe zeigen auch nicht zum Boden, wie sie es tun würden, wenn keine Schüsse abgefeuert werden müssten.
    Stattdessen sind sie leicht schräg nach unten gerichtet, als würden sie auf etwas zielen, das nur ungefähr taillenhoch ist. Auf einen Puma? In den Hügeln hier gibt es Pumas, auch wenn man sie nur selten zu Gesicht bekommt. Aber die würden kein derartiges Massaker anrichten. Wilde Hunde vielleicht? Aber wie gesagt, dieses Gemetzel sieht nicht aus, als stecke eine natürliche Ursache dahinter. Es wirkt eher wie eine bösartige mörderische Attacke als wie eine Jagd nach Nahrung oder ein Verteidigungskampf.
    Plötzlich blitzt in meinem Kopf die Erinnerung daran auf, wie Raffe meinte, möglicherweise hätten Kinder die Familie auf der Straße angegriffen. Doch ich verdränge den Gedanken sofort wieder. Die bewaffneten Soldaten vor mir hätten keine

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