Angelglass (German Edition)
Besatzung ist wieder komplett. Wir sehen uns später, Schatz.« Sie küsst Jenny auf die Wange und verschwindet in der Menge.
Cody winkt. »Hier drüben!«, ruft er. »John, wir sind hier!«
John wird in dem Club von so vielen Menschen begrüßt, dass er sich nach einer Weile entscheidet, mit uns in eine nahe gelegene Kneipe zu gehen. »Ich muss mich erst mal auf den letzten Stand der Dinge bringen«, entschuldigt er sich bei den Leuten, während er mich aufmerksam ansieht und uns dann alle die Treppen hinauf und aus dem Club führt.
»Tut verdammt gut, dass du wieder hier bist«, sagt Cody. »Ich muss dir so viel erzählen. Ach, hast du eigentlich unseren kleinen Willkommensgruß gesehen?«
»Die Esso-Reklametafel?«, fragt John und lächelt. »Ich hab mir schon gedacht, dass das von euch stammen könnte. Gute Arbeit, Leute.«
Cody strahlt vor fast kindlichem Stolz. Seit seiner Ankunft habe ich John nun aufmerksam beobachtet. Er kommt mir auf seltsame Weise fast bekannt vor, was mich mit Skepsis erfüllt und verstummen lässt. Seinen Akzent kann ich nicht einordnen; er ist weder englisch, wie bei Karla und Jenny, noch amerikanisch, wie bei Petey und Cody, sondern irgendetwas dazwischen. Erst als wir in einer ruhigen, dunklen Kneipe alle um einen Tisch herum sitzen, sieht er mich abschätzend an. »Du musst dann wohl unser mysteriöser Mr Poutnik sein. Ich bin geehrt, deine Bekanntschaft zu machen. Ich hab schon viel von dir gehört.«
Wir wechseln einen festen Händedruck, während sich seine Augen in meine bohren. »So wie ich es verstanden habe, kannst du dich an nichts erinnern. Wirklich seltsam.«
»Ich hab ihn oberflächlich untersucht«, mischt sich Jenny ein. »Komplette Amnesie. Keine Ahnung, was sie hervorgerufen hat; ich kann keine Kopfverletzung oder so was erkennen.«
»Und ist unser Mr Poutnik ein vollwertiges Mitglied unserer kleinen Gruppe?«, fragt John laut in die Runde hinein.
»Er ist neulich abends mit auf den Adbusting-Ausflug gekommen«, sagt Cody. »Über N15 hab ich ihm noch nicht so viel erzählt.«
»Leute! Hallo!?«, sagt Karla. »Er sitzt hier neben uns, okay? Ihr könnt ihn selbst fragen, wenn ihr was wissen möchtet.«
John legt seine Hand auf die Brust. »Ich muss mich entschuldigen, Mr Poutnik«, sagt er und sieht mich nachdenklich an. »Hmm. Poutnik. Der Wanderer. Wo bist du denn hergewandert? Oder wohin?«
»Ich weiß es nicht, John. Mein Gedächtnis ist wie ein weißes Blatt Papier. Bis mich Karla im Letná Park aufgegabelt hat.«
»Faszinierende Geschichte«, erwidert er und trinkt einen Schluck Bier. »Aber wenn dir meine Truppe hier vertraut, dann tue ich das auch, Poutnik.« Ein breites Grinsen leuchtet hinter seinem schwarz-grau melierten Bart auf. »Willkommen an Bord! Es wird eine lange, eigentümliche Reise in den nächsten Tagen.«
»Alles klar«, sagt Cody und pflanzt seine Faust spielerisch auf Johns breite Schulter.
»Ich geh noch mehr Bier holen«, sagt Padraig. Er ist angesichts von Johns Reaktion auf mich sichtlich erleichtert.
Jenny grinst. Petey klopft mir auf die Schulter. Karla sagt nichts, blickt mich für einen winzigen Moment an und schaut dann weg.
»In der Tat«, sagt John, nimmt ein Bier von Padraig entgegen und stößt mit Cody an. »Wirklich eine lange, eigentümliche Reise. Ich hoffe, du bist dabei, Poutnik.«
Als ich einen Schluck von meinem Bier nehme, überkommt mich das eindeutige Gefühl, dass das, wozu ich anscheinend hierhergeschickt wurde, allmählich Form annimmt.
Kapitel 12 Doktor Dee
Das Fest zu Ehren von Cornelius Drebbel scheint vorbei zu sein. Doktor Dee ist endlich in Prag eingetroffen. Eilig veranlasst Rudolf einen formellen Empfang in der großen Halle, während der leicht verärgerte Drebbel und seine Mannschaft das Unterwasserboot wieder aus dem Schloss hinausschaffen müssen. Der launische Rudolf ist jetzt mit einem neuen Spielzeug beschäftigt.
Wenn auch der Hof Herrn Drebbel bereits einen ehrenvollen Empfang bereitet hat, so verdoppelt er seine Anstrengungen angesichts des Erscheinens von Doktor Dee. Alle bekannten und viele bislang auch unbekannte Gesichter haben sich im Saal versammelt. Ich bin froh, meinen Platz in der ersten Reihe neben dem Thron zu haben. Auch Sir Anthony und Percy sind anwesend, und ich frage mich, ob der adelige Söldner seinen Hauptmann zu der Spange befragt hat, die ich gefunden habe, als Hannah und ich von dem sogenannten Harten Mann überfallen wurden. Aber vermutlich sind durch die
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