Angelglass (German Edition)
Ankunft von Doktor Dee alle diesbezüglichen Fragen aus Sir Anthonys Bewusstsein verdrängt worden. Er hat aus seiner Abneigung gegen den Alchemisten kein Geheimnis gemacht und bereits angedeutet, dass er Prag lieber verlassen würde, als sich zur gleichen Zeit wie Doktor Dee im Schloss aufzuhalten. Falls ihre Abreise tatsächlich unmittelbar bevorsteht, muss ich entscheiden, ob ich mit ihnen gehe.
Dee hat einen Begleiter mitgebracht, einen schmächtigen Mann mit eng zusammenstehenden Augen und einem von grauem Haar umrahmten, hageren und unrasierten Gesicht. Im ersten Augenblick denke ich, dass er ein Bediensteter ist, doch er weicht Dee niemals von der Seite und flüstert dem Magier ständig etwas ins Ohr.
Dee selbst hat eher traurige Augen, so als trüge er die Last seiner Reputation mit Unbehagen. Sein Gewand und seine Halskrause sind von der tagelangen Reise ramponiert und staubig, eine Mütze verdeckt sein weißes Haar, der graue Bart reicht bis auf seine Brust hinunter. Gleichwohl beherrscht er mit seiner Anwesenheit den ganzen Raum. Alle, die von ihm angesehen werden, verfallen in Schweigen, schauen zu Boden oder werfen ihm nur verstohlene Blicke zu. Rudolf sieht Dee begeistert an, und als schließlich alle im Saal versammelt sind, räuspert sich Lang und tritt vor. »Ihr dürft Euch Seiner Exzellenz, Rudolf II ., Kaiser des Habsburgischen Reiches und König von Böhmen nun nähern«, sagt er mit lauter Stimme.
Dee und sein Begleiter treten vor und verbeugen sich tief. »Eure Exzellenz«, sagt Dee mit sonorer Stimme. »Ich bin Doktor John Dee, Philosoph am Hofe Königin Elisabeths, Alchemist, Mathematiker, Hermetiker und Kabbalist. Dies ist mein Reisegefährte und Studiengenosse, Herr Edward Kelley. Wir sind von Krakau nach Prag gekommen, um dem Kaiser unsere bescheidenen Dienste anzubieten und dem Königreich Böhmen zu dienen.«
»Doktor Dee, Herr Kelley«, begrüßt sie Rudolf. »Wir haben viel über Euch und Eure Arbeit gehört und sind höchst erfreut, Euch an unserem Hof begrüßen zu dürfen. Ihr könnt uns viele Dinge lehren, Doktor Dee, und unter dem Patronat des Prager Hofes werdet Ihr sicherlich eine Blütezeit erleben.«
Lang tritt erneut vor. »Exzellenz, vermutlich sind Doktor Dee und Meister Kelley von der langen Reise ermüdet«, sagt er. »Ich habe mir die Freiheit genommen und ein Quartier bereiten lassen. Die Habe unserer Gäste wird umgehend dorthin gebracht werden.«
»Es ist spät«, räumt Rudolf ein. »Doktor Dee, ich möchte Euch bitten, mir morgen Nachmittag in einer privaten Audienz das Vergnügen Eurer Gesellschaft zu gewähren. Bis dahin habt Ihr sicher ausgeruht und es Euch in Eurem Quartier bequem gemacht.«
»Überaus liebenswürdig, Eure Exzellenz«, erwidert Dee und verbeugt sich erneut. »Ich darf darum bitten, meinen Partner, Herrn Kelley, mitzubringen, wenn es Euch beliebt.«
»Und ich werde meinen Spiegel von Prag mitbringen, wenn es Euch beliebt«, sagt Rudolf und beugt sich herunter, um mir den Kopf zu streicheln. »Dann hätten wir beide unsere Hündchen dabei.«
Der Hofstaat bricht in allgemeines Gelächter aus, während ich vor Scham erröte und Kelley unter seinem unbändigen Haar finster dreinblickt. Dee sieht kurz zu ihm und verbeugt sich wieder. »So sei es, Exzellenz.« Dann drehen sich die beiden um und gehen langsam aus dem Saal. Alle Augen sind auf sie gerichtet.
Während sich die Höflinge entfernen, laufe ich zurück in den Saal, wo Drebbel mit dem Abtransport seines Unterwasserboots beschäftigt ist.
»Ich bin ein wenig beunruhigt«, gesteht er mir, als er seinen Schlaftrunk in Form eines Glases Portwein nimmt, nachdem der Saal aufgeräumt und gesäubert wurde. »Ich wusste nicht, dass Dee Quartier im Schloss beziehen würde. Er zieht Ungemach an wie das Licht die Motten.«
»Dann werdet Ihr also bald aufbrechen, Meister Drebbel?«
»Ich werde noch ein paar Tage in Prag bleiben«, erwidert er. »Ich möchte gerne noch mit Meister Kepler über seine Gesetze der Planetenbewegung sprechen. Doch ich will mein Boot und meine Mannschaft klar zum Aufbruch haben, falls eine schnelle Abreise erforderlich werden sollte.« Misstrauisch blickt er sich um und hält nach möglichen Zuhörern Ausschau. »Ich habe ein schlechtes Gefühl, Meister Poutnik«, flüstert er. »In Prag herrscht eine seltsam erwartungsvolle Stimmung, so als könne bald irgendetwas geschehen.«
Dann geht Drebbel hinaus, um den Transport seines Boots den Hügel hinunter zur Moldau zu
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