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Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition)

Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition)

Titel: Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Mann
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dass es bald losginge. Also feierten wir Abschied. Ich traf mich mit einigen Freunden, unter anderem mit Uschi Brüning. Im Palasthotel gaben wir noch eine Menge Ostgeld aus. Als ich am nächsten Tag wieder auf dem Rathaus erschien, bekamen wir eine Art Laufzettel und mussten uns überall abmelden, selbst beim Landwirtschaftsministerium. Es hätte ja sein können, dass wir noch irgendwo eine Sau besitzen.
    Für die letzten Tage hatte ich mir einen Trabi gepumpt und wartete an einer Ampel am Alex. Im Auto auf der Nebenspur saß Jaecki Schwarz und winkte mir freundlich zu. In Pankow begegnete ich Michael Gwisdek, der sehr nett grüßte. In diesem Moment war ich sehr traurig: Schade, dachte ich, so viele berühmte Leute kennen dich und sind nett zu dir und du gehst einfach weg.
    Aber es gab kein Zurück mehr. Am 25.April 1985 verließen wir die DDR. Mein langjähriger Techniker Harry, der schon vor mir den Antrag gestellt hatte und noch warten musste, brachte uns in seinem Barkas zum Tränenpalast.

■ Im Westen
    Unser gesamter Hausrat folgte uns im Umzugswagen. Unsere Kleider, Udos Verstärker und die Gitarren hatten wir bei uns. Wir waren froh, dass es endlich losging. Als aber der Grenzsoldat sagte: „Ach, die Lütte verlässt uns jetzt auch, schade“, hatte ich einen dicken Kloß im Hals.
    Auf der Westseite wurden wir jubelnd empfangen. Nicht von einem neuen Publikum, aber von meiner Mutter und meinem Bruder. In Mamas Wohnung gab es zur Feier des Tages Sekt und Bulettchen. Danach fuhren wir sofort ins KaDeWe. Ich kannte das ja schon aus meiner Kindheit und von meinen gelegentlichen Aufenthalten in Westberlin, aber Udo hatte so etwas noch nie gesehen. Der war ganz blass und murmelte immer nur vor sich hin: „Im Osten gibt’s ja gornischt.“
    Im Westen mussten wir uns nun erst einmal zurechtfinden. Meine Mutter arbeitet damals noch im Jüdischen Krankenhaus und wohnte dort im Schwesternhaus. Nebenan war ein kleines möbliertes Appartement frei, das unsere erste Bleibe wurde. Als Staatenlose klapperten wir alle Ämter unserer neuen Heimat ab, schließlich waren wir in der Bundesrepublik Deutschland und Ämter gab es hier nun wirklich zur Genüge. Nach einer Woche stapelte sich vor uns ein Wust von Papieren. Da sich die ersten Anlaufstationen fast alle im Aufnahmelager Marienfelde befanden, haben wir uns dort gemeldet und auch übernachtet. Am ersten Abend hatten wir also unser Lagerzimmerchen bezogen und sind nochetwas essen gegangen. Wieder zurück hatten wir plötzlich einen Mitbewohner, der uns erzählte, er wäre im Kofferraum eines Diplomaten geflüchtet und gerade angekommen. Er schloss sich uns an und wir verbrachten die nächsten Monate viel Zeit miteinander. Irgendwann wurde ich stutzig, weil er seltsame Fragen stellte. So plötzlich wie er aufgetaucht war, verschwand er auch wieder aus unserem Leben – da hatten die Genossen uns wohl jemanden hinterhergeschickt. Zeitweise wohnten wir auch in einem Auffanglager am Tempelhofer Ufer. Da kam es schon vor, dass an unsere Tür geklopft wurde und es hieß: „Los Lütte, sing mal was“. Ossis waren überall. Ich muss auch zugeben, dass ich manchmal, wenn ich auf dem U-Bahnhof Kottbusser Tor stand, gezweifelt habe, ob die Ausreise wirklich der richtige Schritt war. Zu fremd war mir diese Welt und ich sehnte mich nach meiner kleinen Wohnung in Berlin-Buch.
    Als wir aber schließlich unsere neuen Westausweise in den Händen hielten, wollten wir doch ganz schnell in den „richtigen“ Westen. Wir suchten uns eine Mitfahrgelegenheit und fuhren nach Mannheim zu meinem alten Freund von der Geff-Harrison-Band . Ich wollte endlich meinen lieben Flügel wiedersehen. Als wir am Übergang Helmstedt die Grenze hinter uns ließen, hielten wir uns ganz fest an den Händen. Wir hatten es geschafft!
    Vor lauter Freude wurde ich gleich wieder schwanger und dieses Mal sollte es auch klappen. Wir fanden eine schöne Wohnung in Berlin-Rudow – drei Zimmer, Küche, Bad, Balkon und bald waren auch unsere Möbel da. Unser neues Leben konnte beginnen.
    Udo traf den ehemaligen Schlagzeuger von Vroni Fischer, Frank Hille, der im Westen geblieben war bevor wir dort ankamen. Für eine Kanada-Tournee suchte er einen Gitarristen und schwupps war Udo auf dem Weg über den großen Teich. Er hat richtig viel gesehen. Leider hat er nicht die Gage bekommen, die ihm zugesichert worden war, aber Lehrgeld mussten wir als Neulinge im Westen alle bezahlen.

    Als Neu-Westberlinerin, 1985
    Wie

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