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Angélique - Am Hof des Königs

Angélique - Am Hof des Königs

Titel: Angélique - Am Hof des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Golon
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den Platz hinaus, wo der vom Meer herüberwehende Wind an ihren Hutfedern zerrte und den salzigen Geschmack des Ozeans herantrug.
    Angélique spürte ihr Herz wild klopfen, als sie die Stufen zur Tür hinaufschritten.
    Gleich werde ich den König sehen, dachte sie, die Königinmutter! Den Kardinal!
    Dieser junge König, von dem die Amme ihr erzählt hatte, war immer schon ein Teil ihres Lebens gewesen. Bedrängt vom böswilligen Pariser Pöbel, war er quer durch das von der Fronde verwüstete Frankreich geflohen, je nach Sinneswandel der rebellischen Prinzen von Stadt zu Stadt, von Schloss zu Schloss gehetzt, verraten, verlassen und letztlich doch siegreich. Jetzt erntete er die Früchte seiner Kämpfe. Und mehr noch als der König genoss die schwarz verschleierte Frau mit dem blassdunklen spanischen Teint, der gleichzeitig distanzierten und liebenswürdigen Miene und den kleinen, perfekten auf dem dunklen
Kleid ruhenden Händen, die Angélique am Ende des großen Raums erblickte, die Stunde des Triumphs.
    Angélique und ihr Gemahl durchquerten den mit glänzendem Parkett ausgelegten Saal. Zwei kleine, junge Mohren trugen den prunkvollen, auch Manteau genannten Oberrock der jungen Frau, der in einer ausladenden Schleppe endete. Dahinter folgte der riesige Kouassi-Ba. Wegen der Wandbehänge und der dicht gedrängten Menge war es sehr warm, und man konnte kaum etwas sehen.
    »Graf de Peyrac de Morens d’Irristu«, verkündete der Erste Offizier des Königlichen Haushalts.
    Angélique versank in einen Hofknicks. Das Herz schlug hart in ihrer Brust. Vor sich sah sie undeutlich eine schwarze und eine rote Gestalt: die Königinmutter und der Kardinal.
    Joffrey sollte sich tiefer verneigen, dachte sie bei sich. Mademoiselle hat er eben so vollendet gegrüßt. Aber vor dem Allerhöchsten zieht er lediglich ein wenig den Fuß zurück … Binet hat schon recht, wenn er... Binet hat schon recht …
    Was für ein Unsinn, in dieser Situation an den guten Binet zu denken und sich einzureden, er habe recht mit seinem Verhalten. Warum überhaupt?
    »Wir freuen uns, Euch wiederzusehen, Graf«, hörte sie eine Stimme. »Und Madame zu begrüßen, nein, zu bewundern, von der wir schon so viel Gutes gehört haben. Aber im Gegensatz zu sämtlichen Gepflogenheiten stellen wir fest, dass alles Lob in diesem Fall der Wirklichkeit nicht gerecht wird.«
    Angélique hob den Blick. Sie schaute in braune, leuchtende Augen, die sie aufmerksam musterten: die Augen des Königs.
    Er war kostbar gekleidet und hielt sich so aufrecht, dass er eindrucksvoller wirkte als alle seine Höflinge. Angélique sah, dass sein Gesicht leicht vernarbt war, da er in seiner Kindheit an den Blattern erkrankt war. Seine Nase war zu lang, aber sein Mund war stark und sinnlich unter der kaum sichtbaren braunen
Linie eines schmalen Schnurrbarts. Das kastanienbraune Haar, das ihm in üppigen Locken über die Schultern fiel, verdankte seine Fülle keinem künstlichen Haarteil. Ludwig XIV. hatte wohlgeformte Beine und elegante Hände. Unter den Spitzen und Bändern erahnte man einen geschmeidigen, kräftigen, durch die Jagd und die militärischen Übungen gestärkten Körper.
    Nounou würde sagen, was für ein schöner Mann, sie tun gut daran, ihn zu verheiraten, dachte Angélique.
    Und abermals schalt sie sich im Stillen für solch gewöhnliche Gedanken in einem so feierlichen Moment ihres Lebens.
    Die Königinmutter wünschte den Inhalt der Schatulle zu sehen, die Kouassi-Ba ihr gerade, kniend und mit der Stirn den Boden berührend wie einer der drei Heiligen Könige, dargeboten hatte.
    Laute Rufe des Entzückens erschallten, als die Umstehenden das aus massivem Gold und Schildpatt gefertigte Accessoire-Kästchen mit seinen Schächtelchen, Kämmen, Scheren, falschen Locken und Petschaften erblickten. Doch vor allem der kleine Reisealtar begeisterte die frommen Damen aus dem Gefolge der Königinmutter. Diese lächelte und bekreuzigte sich. Das Kruzifix und die beiden Statuetten spanischer Heiliger sowie das Nachtlicht und das kleine Weihrauchfässchen bestanden aus Gold und feuervergoldetem Silber. Außerdem hatte Joffrey de Peyrac von einem italienischen Künstler ein Triptychon auf vergoldetem Holz malen lassen, das die Szenen der Passion Christi darstellte. Die Miniaturen waren zart und die Farben von großer Frische. Dazu gab es noch zwei Rosenkränze, einen aus Bernstein und Gold, den anderen aus rosafarbenem Elfenbein an einer silbernen Kette.
    Anna von Österreich

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