Angélique - Am Hof des Königs
ihr fand sich alles zu bewundern, was als Zeichen für besondere Schönheit galt: Sie hatte den hellsten Teint, den man sich nur denken
konnte. Sie war blond, wirklich blond, und das silbrige Schimmern ihres Haares passte vortrefflich zu dem rosig angehauchten Perlmuttton ihres Gesichts. Ihre blauen Augen bezauberten durch ihre Sanftheit und ihren Glanz.« Die Schönheit ihrer vollen, tiefroten Lippen wurde häufig gerühmt, und man konnte es dem Abbé de Montreuil nicht verdenken, wenn er sich von diesem Anblick zu folgenden Gedanken verleitet fühlte, die er in seinem Bericht vermerkte: »Ein Mund, der von Königen geküsst zu werden verdient...«
Ihre Hände waren nicht ganz so schön wie die von Anna von Österreich. Doch das wäre auch kaum möglich gewesen, wurden doch die Arme, die Hände und der Busen der Königinmutter in ganz Europa gepriesen.
Maria Theresia hatte sich nach ihrer Tante und dem Kardinal erkundigt. Es war rührend, mit welcher Ungeduld sie sich danach sehnte, ihre Tante endlich kennenzulernen. Der Etikette entsprechend, durfte sie ihren Gemahl, den König, noch nicht erwähnen.
Mademoiselle vermied es, näher auf ihren Eindruck von König Philipp IV. einzugehen, denn auf den ersten Blick war er ihr »alt und gebeugt« erschienen.
Aber sie schilderte bereitwillig, mit welcher Aufmerksamkeit dieser große Monarch trotz des Gedränges und des strengen Ablaufs des Hochzeitszeremoniells angeordnet hatte, dass für sie eine prächtige sechsspännige Kutsche zum Hafen von Fuenterrabía geschickt wurde und mehrere Hidalgos sich um die »Verwandte von Monsieur Lenet« kümmerten. Und zu Beginn der Messe hatte der König befohlen, auf Mademoiselles Seite den Vorhang zurückzuziehen, sodass sie ihn selbst und die Zeremonie besser beobachten könne.
»All diese Sorge um mein Wohl erschien mir sehr aufrichtig und freundlich«, würde die Grande Mademoiselle die Nachwelt wissen lassen.
Außerdem berichtete sie der Herrscherin noch, wie der König mit »unnachahmlicher« Würde vor dem Altar niedergekniet war.
Wie bewegend, wie berührend!, dachte Anna von Österreich, und ihr Herz schlug voll zärtlicher Ungeduld.
Morgen! Morgen, am 4. Juni, sollten sie einander wiedersehen, denn für diesen Tag war die erste Begegnung auf der Fasaneninsel angesetzt.
DRITTER TEIL
Die Fasaneninsel
Kapitel 12
4. Juni
E s war der Tag der ersten Begegnung mit dem König von Spanien auf der Fasaneninsel. Königin Anna von Österreich wollte allein hingehen, nur in Begleitung des Kardinals und einiger Damen aus ihrem Gefolge, die sich abseits zur Verfügung halten sollten, und mit einem Mindestmaß an Edelmännern und Musketieren zu ihrer Bewachung.
Von ganzem Herzen wünschte sich die Königin, die lange Jahre die Regentin gewesen war und nun endgültig zur Königinmutter werden sollte, Ruhe und Abgeschiedenheit in dem Moment, in dem sie ihren geliebten Bruder wiedersehen sollte, mit dem sie über Jahre hinweg eine verbotene Korrespondenz aufrechterhalten hatte, die sie zu einer Verräterin an ihrem eigenen Königreich machte. Ihren Bruder, den König von Spanien, der an den Grenzen Frankreichs und sogar bis hin auf französisches Gebiet mit seiner schrecklichen Infanterie aufragte wie ein Schreckgespenst.
Ludwig XIV. bestand darauf, dass sein Bruder Philippe diesmal mit von der Partie sein sollte.
»Ihr sprecht hervorragend Spanisch. So könnt Ihr die Infantin während des Wiedersehens zwischen unserer Mutter und unserem Onkel unterhalten. Die Infantin ist in unserem Alter. Sie wird entzückt sein, in Euch einen Bruder zu finden...«
In Wahrheit war er zutiefst gekränkt, dass er selbst nicht einmal einen Blick auf die Frau werfen durfte, die seit dem vergangenen
Tag seine Gemahlin war. Und das nur wegen dieser verfluchten spanischen Etikette, die dem heiligen Sakrament der Ehe so großen Wert beimaß, dass sie keinen noch so geringen fleischlichen Trieb dulden oder auch nur in Betracht ziehen wollte, solange nicht die kirchliche Trauung vollzogen und somit Gottes Erlaubnis erteilt worden war.
Er zog seinen Bruder zur Seite und redete lange auf ihn ein. Seine Idee war gut.
Denn Philippe, der seiner Mutter sehr nahe stand, unterhielt sich mit ihr nur auf Spanisch. Wohingegen Ludwig, seit er vierzehn Jahre alt und somit mündig geworden war, vorgab, die Sprache seiner frühesten Kindheit vergessen zu haben und nicht mehr zu verstehen. Er rief sogar jedes Mal einen Übersetzer hinzu, wenn er mit Spaniern
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