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Angelique Der Gefangene von Notre Dame

Titel: Angelique Der Gefangene von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Golon Anne
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»Aber noch ist es nicht zu spät, um von hier zu verschwinden. Wenn du kein Geld hast, kann ich dir welches leihen. Ich habe etwas für meine Wanderschaft zurückgelegt, und Raymond wird dir sicher auch helfen. Pack deine Sachen und nimm die Postkutsche nach Poitiers. Von dort aus fährst du weiter nach Monteloup. Zu Hause hast du nichts zu befürchten!«
    Einen Moment lang sah Angélique vor ihrem geistigen Auge das schützende Schloss von Monteloup, die stillen Sümpfe und Wälder. Florimond würde mit den Truthähnen auf der Zugbrücke spielen...
    Â»Und Joffrey?«, fragte sie. »Wer wird dafür sorgen, dass ihm Gerechtigkeit widerfährt?«
    Â 
    Daraufhin folgte ein drückendes Schweigen, das vom Grölen eines Tischs voller Säufer und dem Schimpfen der Tafelnden übertönt wurde, die mit ihren Messern auf ihre Teller schlugen. Das Erscheinen von Maître Corbasson, dem Bratkoch, der in den hoch erhobenen Händen eine knusprig braune, brutzelnde Gans hereintrug, brachte ihre Proteste zum Schweigen.
    Gleichmütig stopfte Desgrez seine langstielige holländische Pfeife.
    Â»So sehr hängst du also an deinem Mann?«, fragte Gontran.
    Angélique biss die Zähne zusammen.
    Â»Eine Unze seines Gehirns ist mehr wert als eure drei Hirne zusammen«, erklärte sie unumwunden. »Ich weiß, es klingt lächerlich. Aber obwohl er mein Gemahl ist, obwohl er hinkt und obwohl sein Gesicht entstellt wurde, liebe ich ihn.«
    Ein trockenes Schluchzen schüttelte sie.
    Und trotzdem habe ich seinen Untergang besiegelt, dachte sie. Wegen dieser elenden Giftgeschichte. Gestern, bei meiner Unterredung mit dem König, habe ich sein Urteil unterzeichnet, ich habe...

    Plötzlich wurde Angéliques Blick starr, und ihre Züge gefroren vor Entsetzen. Eine Erscheinung war hinter der Fensterscheibe aufgetaucht: ein albtraumhaftes Gesicht, eingerahmt von einer Flut von langem fettigem Haar. Über die bleiche Wange zog sich eine violette Geschwulst. Ein Auge war hinter einer schwarzen Binde verborgen; das andere leuchtete wie das eines Wolfs. Die schreckliche Gestalt beobachtete Angélique, und sie lachte .
    Â»Was ist los?«, fragte Gontran, der mit dem Rücken zum Fenster saß und nichts sah.
    Â 
    Desgrez folgte dem entsetzten Blick der jungen Frau. Unvermittelt stürzte er zur Tür und pfiff nach seinem Hund.
    Das Gesicht hinter der Scheibe verschwand. Kurz darauf kehrte der Advokat unverrichteter Dinge zurück.
    Â»Er ist verschwunden wie eine Ratte in ihrem Loch.«
    Â»Kennt Ihr diesen tristen Herrn?«, erkundigte sich Cerbalaud.
    Â»Ich kenne sie alle. Der da ist Calembredaine, illustrer Haderlump, König der Mantelräuber vom Pont-Neuf, und einer der mächtigsten Bandenführer der Hauptstadt.«
    Â»Dreist ist er ja, einfach hierherzukommen und den ehrbaren Leuten beim Abendessen zuzuschauen.«
    Â»Vielleicht hatte er einen Komplizen im Schankraum, dem er ein Zeichen geben wollte.«
    Â»Nein, er hat mich angeschaut«, sagte Angélique mit klappernden Zähnen.
    Â»Pah! Habt keine Angst. Hier sind wir ganz in der Nähe der Rue de la Truanderie und des Faubourg Saint-Denis. Das ist das Revier der Bettler und ihres Herrschers, des Großen Coesre, des Königs der Diebe und Gauner.«
    Bei diesen Worten hatte er eine Hand um die Taille der jungen Frau gelegt und zog sie fest an sich. Angélique spürte die Wärme
und Kraft seiner männlichen Hand. Ihre überreizten Nerven entspannten sich. Ohne Scham schmiegte sie sich an ihn. Was kümmerte es sie, dass Desgrez ein bürgerlicher, armer Advokat war? War sie nicht selbst kurz davor, eine Ausgestoßene zu werden, eine Verfolgte, ohne Obdach oder Schutz, vielleicht sogar ohne Namen?
    Â 
    Â»Schockschwerenot«, fuhr Desgrez fröhlich fort. »Man setzt sich doch nicht ins Wirtshaus, um so düstere Reden zu führen. Lasst uns etwas essen; danach können wir immer noch Pläne schmieden. He! Corbasson, du Teufelsröster, willst du uns hier verhungern lassen?«
    Der Wirt eilte herbei.
    Â»Was kannst du drei hohen Herren, die seit vierundzwanzig Stunden nichts als Aufregung zu sich genommen haben, und einer zarten jungen Dame anbieten, deren Appetit ein wenig der Anregung bedarf?«
    Corbasson legte die Hände ans Kinn, und seine Miene sah aus, als hätte er gerade eine Inspiration gehabt.
    Â»Nun denn. Euch, Messieurs,

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