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Angelique Der Gefangene von Notre Dame

Titel: Angelique Der Gefangene von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Golon Anne
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groß gewachsener Mann mit strengen Zügen.
    Der Vorsitzende rügte ihn.
    Â»Ihr seid heute hier als Richter, Monsieur Delmas. Und die Würde des Gerichts verlangt, dass Ihr den Angeklagten im Sitzen anhört.«
    Delmas setzte sich wieder hin.
    Â»Bevor ich mit der Befragung beginne«, sagte er, »möchte ich eine Bitte an das Tribunal richten. Dabei verwahre ich mich gegen den Vorwurf der parteiischen Milde gegenüber dem Angeklagten und möchte sie lediglich als Ausdruck reiner Menschlichkeit verstanden wissen. Jeder weiß, dass der Angeklagte infolge der verheerenden Bruderkriege, die so lange in unserem Land und vor allem in seiner Heimat, dem Südwesten, gewütet haben, seit seiner Kindheit verkrüppelt ist. Da die Sitzung noch länger zu dauern scheint, bitte ich das Gericht, dem Angeklagten zu erlauben, sich hinzusetzen, da er ansonsten zusammenzubrechen droht.«

    Â»Das geht nicht!«, versetzte der unerträgliche Bourié. »Die Tradition verlangt, dass der Angeklagte während der gesamten Verhandlung vor einem Kruzifix kniet. Wir sind ihm schon sehr weit entgegengekommen, indem wir ihm erlaubt haben, stehen zu bleiben.«
    Â»Trotzdem wiederhole ich meine Bitte«, beharrte der protestantische Vertreter.
    Â»Natürlich«, keifte Bourié, »wir wissen doch alle, dass Ihr den Angeklagten nahezu als Glaubensgenossen betrachtet, weil er von einer hugenottischen Amme genährt wurde und behauptet, in seiner Kindheit von Katholiken misshandelt worden zu sein – was im Übrigen erst noch zu beweisen wäre.«
    Â»Ich sage Euch noch einmal, dass mich lediglich Menschlichkeit und Weisheit zu dieser Bitte bewegen. Die Verbrechen, die man diesem Mann zur Last legt, entsetzen mich genauso sehr wie Euch, Monsieur Bourié, aber wenn er zusammenbricht, wird diese Verhandlung niemals ein Ende finden.«
    Â»Ich danke Euch, Monsieur Delmas, aber ich werde nicht zusammenbrechen. Bitte, lasst uns fortfahren«, unterbrach sie der Angeklagte in so gebieterischem Ton, dass sich das Gericht nach kurzem Zögern fügte.
    Â»Monsieur de Peyrac«, sprach Delmas weiter, »ich vertraue auf Euren Eid, die Wahrheit zu sagen, und ich glaube Euch, wenn Ihr behauptet, keinerlei Umgang mit dem Satan gepflegt zu haben. Trotzdem bleiben noch zu viele unklare Punkte, als dass das Gericht vollends von Eurer Aufrichtigkeit überzeugt sein könnte. Darum bitte ich Euch, die Fragen zu beantworten, die ich Euch stellen werde, ohne daraus etwas anderes herauszulesen als meinen Wunsch, die schrecklichen Zweifel zu zerstreuen, die immer noch auf Eurem Verhalten lasten. Ihr behauptet, Gold aus Gestein herausgelöst zu haben, das Fachleuten zufolge gar keines enthält. Nun gut, meinetwegen. Aber warum habt Ihr Euch überhaupt dieser seltsamen, mühseligen
Arbeit gewidmet, zu der Euch Euer Adelsrang nicht bestimmt hat?«
    Â 
    Â»Der wichtigste Grund dafür war mein Wunsch, mein Vermögen durch Arbeit und die Nutzung der geistigen Fähigkeiten zu mehren, die mir bei meiner Geburt geschenkt wurden. Andere bitten um Pensionen, leben auf Kosten ihres Nachbarn oder bleiben arme Schlucker. Da keiner dieser drei Wege mir zusagte, habe ich versucht, aus mir und meinen wenigen Ländereien den größtmöglichen Gewinn zu ziehen. Und damit glaube ich nicht, gegen Gottes Gebot verstoßen zu haben, der uns anwies: ›Du sollst deine Talente 7 nicht vergraben.‹ Das bedeutet meiner Ansicht nach, wenn wir über eine Gabe oder ein Talent verfügen, haben wir nicht das Recht , sondern die göttliche Pflicht, dieses zu nutzen.«
    Die Züge des Richters wurden starr.
    Â»Es steht Euch nicht zu, Monsieur, uns über göttliche Pflichten zu belehren. Wie dem auch sei... Warum habt Ihr Euch mit ausschweifenden oder sonderbaren Menschen aus dem Ausland umgeben, die zwar nicht der Spionage gegen unser Land überführt wurden, aber, nach allem, was mir berichtet wurde, auch nicht gerade als Freunde Frankreichs oder Roms gelten.«
    Â»Diese Menschen, die Euch sonderbar erscheinen, sind in Wirklichkeit hauptsächlich Gelehrte aus der Schweiz, Italien und dem Deutschen Reich, mit deren Forschungen ich meine eigenen Arbeiten verglich. Diskussionen über die Erdanziehungskraft und die universelle Gravitation sind ein harmloser Zeitvertreib. Und was die Ausschweifungen betrifft, die man mir vorwirft, so haben sich in meinem Palast kaum mehr

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