Angelique Der Gefangene von Notre Dame
Peyrac begannen, lieà mir der Kardinal-Erzbischof von Paris die entsprechenden Unterlagen zukommen. Und an dieser Stelle werden wir nun die Nonnen aus diesem Kloster hören.«
AnschlieÃend beugte sich Masseneau über sein Pult vor und wandte sich respektvoll an eine der gesenkten Hauben vor ihm.
»Schwester Carmencita de Mérecourt, erkennt Ihr im Angeklagten den Mann wieder, der Euch aus der Ferne verfolgt und behext hat?«
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Eine anrührende Altstimme antwortete ihm.
»Ich erkenne meinen alleinigen und einzigen Gebieter!«
Verblüfft entdeckte Angélique unter den strengen Schleiern das sinnliche, dunkle Gesicht der schönen Spanierin.
Masseneau räusperte sich und entgegnete mit sichtlicher Mühe: »Aber, Schwester, seid Ihr nicht ins Kloster eingetreten, um Euer Leben allein dem Herrn zu weihen?«
»Ich wollte dem Bild meines Behexers entfliehen. Vergeblich. Er verfolgt mich bis in die heilige Messe.«
»Und was ist mit Euch, Schwester Louise de Rennefonds, erkennt Ihr den Mann wieder, der Euch während jener Anfälle von Raserei erschienen ist?«
»Ja, ich... ich glaube es. Aber der, den ich gesehen habe, hatte Hörner...«, antwortete eine junge zitternde Stimme zaghaft.
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Schallendes Gelächter erfüllte den Saal.
»Haha! Gut möglich, dass sie ihm während seines Aufenthalts in der Bastille gewachsen sind«, rief ein junger Jurist.
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Angélique schoss vor lauter Zorn und Demütigung das Blut in die Wangen. Ihre Gefährtin griff nach ihrer Hand, um sie daran
zu erinnern, dass sie sich beherrschen musste, und so riss sie sich zusammen.
Masseneau wandte sich unterdessen an die Ãbtissin des Klosters.
»Ehrwürdige Mutter, ich weiÃ, dass diese Verhandlung sehr schmerzlich für Euch ist, aber ich muss Euch leider auffordern, Eure Aussagen vor diesem Gericht zu wiederholen!«
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Die betagte Nonne, die keineswegs schmerzlich berührt, sondern lediglich verärgert wirkte, lieà sich nicht lange bitten.
»Was sich seit einigen Monaten in dem Kloster abspielt, dem ich seit dreiÃig Jahren als Ãbtissin vorstehe, ist eine Schande«, erklärte sie mit fester Stimme. »Nur wer innerhalb von Klostermauern lebt, Messieurs, weiÃ, zu welch grotesken SpäÃen der Teufel fähig ist, wenn es ihm durch die Mithilfe eines Hexenmeisters möglich wird, sich zu offenbaren. Ich will Euch nicht verhehlen, dass mir die Aufgabe, vor der ich heute stehe, sehr schwerfällt, denn es bekümmert mich, gezwungen zu sein, vor einem weltlichen Gericht so beleidigende Angriffe gegen die Kirche darzulegen, aber Seine Exzellenz der Kardinal-Erzbischof hat mich dazu angewiesen. Dennoch möchte ich darum bitten, unter Ausschluss der Ãffentlichkeit angehört zu werden.«
Zur Befriedigung der Ãbtissin und Enttäuschung des Publikums willigte der Vorsitzende ein.
Gefolgt von der Ãbtissin und den übrigen Nonnen, zog sich das Gericht in einen Raum im Hintergrund zurück, der gewöhnlich als Gerichtskanzlei diente.
Nur Carmencita blieb unter der Aufsicht der vier Mönche, die sie hereingeführt hatten, und zweier Schweizergarden im Saal zurück.
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Angélique musterte ihre frühere Rivalin. Die Spanierin hatte nichts von ihrer Schönheit eingebüÃt. Die klösterliche Zurückgezogenheit
hatte ihr Gesicht, in dem die groÃen schwarzen Augen einem verzückten Traum zu folgen schienen, höchstens noch ein wenig schmaler werden lassen.
Auch das Publikum schien sich am Anblick der schönen Behexten zu weiden.
Angélique hörte die spöttische Stimme von Maître Gallemand.
»Teufel noch eins, der GroÃe Hinkefuà steigt in meiner Achtung!«
Die junge Frau sah, dass ihr Gemahl die aufsehenerregende Szene nicht eines Blickes gewürdigt hatte. Nun, da das Gericht den Saal verlassen hatte, versuchte er offenbar, sich ein wenig auszuruhen. Mühsam lieà er sich auf das schreckliche Bänkchen vor ihm nieder, was ihm schlieÃlich mit schmerzverzerrtem Gesicht gelang. Das lange Stehen auf seinen Krücken und vor allem die Tortur, der man ihn in der Bastille unterzogen hatte, hatten ihn sehr geschwächt.
Angéliques Herz schmerzte, als sei es zu Stein erstarrt.
Bis zu diesem Moment hatte ihr Gemahl eine übermenschliche Tapferkeit bewiesen. Es war ihm gelungen, ruhig zu antworten, auch wenn er es nicht immer geschafft hatte,
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