Angelique Der Gefangene von Notre Dame
Zeugnis der menschlichen Intelligenz zu besitzen, und das ist bei Werken von Kopernikus oder Galilei der Fall, oder aber er möchte sich in die Lage versetzen, am MaÃstab der menschlichen Dummheit zu ermessen, welche Fortschritte die Wissenschaft seit dem Mittelalter bereits gemacht hat und welcher Weg noch vor ihr liegt. Und das ist der Fall, wenn er sich mit den Hirngespinsten eines Paracelsus oder Conan Bécher befasst. Glaubt mir, Messieurs, die Lektüre dieser Werke ist bereits Strafe genug.«
»Missbilligt Ihr etwa die Verdammung der gottlosen Theorien von Kopernikus und Galilei durch die katholische Kirche?«
»Ja, denn die Kirche hat sich offensichtlich geirrt. Was nicht bedeutet, dass ich sie in anderen Punkten kritisiere. Ich hätte mich sicher lieber ihr und ihrem Wissen um Exorzismen und Hexerei anvertraut, als hier einem Prozess ausgesetzt zu werden, der sich in sophistischen Diskussionen verliert...«
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Der Vorsitzende machte eine theatralische Geste, mit der er wohl ausdrücken wollte, dass er die Hoffnung aufgab, diesen verstockten Angeklagten noch zur Vernunft zu bringen. Er beriet sich mit einigen seiner Kollegen und verkündete anschlie Ãend, dass das Verhör beendet sei und man nun mit der Befragung einiger Zeugen der Anklage beginnen werde.
Auf sein Zeichen hin gingen zwei Wachen hinaus, und hinter der schmalen Tür, durch die bereits das Gericht hereingekommen war, ertönte Stimmengewirr.
Zwei weià gekleidete Geistliche betraten den Gerichtssaal, ihnen folgten vier Nonnen und schlieÃlich zwei Rekollektenmönche in grauen Kutten.
Sie alle stellten sich in einer Reihe vor dem Podest der Richter auf.
Der Vorsitzende Masseneau erhob sich.
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»Messieurs, wir kommen nun zum heikelsten Teil dieses Prozesses. Vom König, dem Verteidiger der Kirche Gottes, dazu berufen, das Urteil in einem Hexenprozess zu fällen, mussten wir Zeugnisse beibringen, die gemäà dem Rituale Romanum einen unwiderlegbaren Beweis dafür liefern, dass der Sieur Peyrac Umgang mit dem Teufel pflegte. Insbesondere bezüglich des dritten Punktes des Rituals, welcher besagt, dass...«
Er beugte sich vor, um etwas abzulesen.
»... welcher besagt, dass eine Person, die einen Pakt mit dem
Teufel geschlossen hat und die man gemeinhin einen âºechten Besessenenâ¹ nennt, âºÃ¼bernatürliche körperliche Kräfte und Macht über Geist und Körper anderer Menschenâ¹ besitzt, haben wir Folgendes festgehalten...«
Trotz der eisigen Kälte, die in dem groÃen Saal herrschte, tupfte sich Masseneau diskret die Stirn ab, eher er leicht stockend weiterlas.
»... Uns sind die Klagen der Priorin des Klosters der Töchter des heiligen Leander in der Auvergne zu Ohren gekommen. Diese erklärte, eine ihrer Novizinnen, die erst kürzlich in ihre Gemeinschaft aufgenommen worden sei und bis dahin stets Anlass zur Zufriedenheit gegeben habe, weise neuerdings Zeichen einer Besessenheit auf, für die sie den Grafen de Peyrac verantwortlich mache. Die Novizin verschwieg nicht, dass dieser sie einst zu schuldhaften Ausschweifungen verführt habe und es die Reue über ihre Sünden gewesen sei, die sie dazu bewogen habe, sich ins Kloster zurückzuziehen. Aber auch dort fand sie keinen Frieden, denn dieser Mann fuhr fort, sie aus der Ferne in Versuchung zu führen, und hatte sie mit Sicherheit behext. Kurz darauf brachte sie dem Ordenskapitel einen Strauà Rosen, der ihr angeblich über die Klostermauer hinweg von einem Unbekannten zugeworfen worden war. Dieser Unbekannte hatte die Gestalt des Grafen de Peyrac, dennoch musste es sich um einen Dämon gehandelt haben, denn es stellte sich heraus, dass sich der betreffende Adlige zu jener Zeit nachweislich in Toulouse aufgehalten hatte. Der fragliche Strauà löste innerhalb der Gemeinschaft bald die seltsamsten Unruhen aus. Weitere Nonnen wurden von auÃergewöhnlichen obszönen Ekstasen erfasst. Wenn sie wieder zu sich kamen, sprachen sie von einem hinkenden Teufel, dessen Anblick sie mit übermenschlicher Freude erfüllt und in ihrem Fleisch ein verzehrendes Feuer entzündet habe. Natürlich verblieb die Novizin, die diese Unruhen verursacht hatte, beinahe ununterbrochen in einem Zustand solcher
Erregung. Besorgt wandte sich die Priorin von Sankt Leander schlieÃlich an ihre Oberen. Da just zu dem Zeitpunkt auch die Voruntersuchungen zum Prozess des Sieur de
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