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Angélique - Die junge Marquise - Golon, A: Angélique - Die junge Marquise - Angélique 01. Marquise des Anges

Titel: Angélique - Die junge Marquise - Golon, A: Angélique - Die junge Marquise - Angélique 01. Marquise des Anges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Golon
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verwundert an. Nie hätte sie vermutet, dass hinter seinem farblosen, ein wenig heuchlerischen Äußeren so viel Leidenschaft schwelte. Nun war es der Pastor, der aus der Fassung geriet. Um die peinliche Situation zu retten, bemerkte Baron Armand lachend und ohne boshafte Absicht: »Eure Diskussion erinnert mich daran, dass ich in der letzten Zeit häufiger bedauert habe, kein Hugenotte zu sein. Denn anscheinend bietet man einem Adligen bis zu dreitausend Livres, wenn er zum Katholizismus konvertiert.«
    Zornig fuhr der alte Baron auf.
    »Mein Sohn, erspart mir Eure plumpen Scherze. Sie sind in Anwesenheit eines Gegners nicht angebracht.«
    Der Pastor hatte seinen feuchten Umhang vom Stuhl genommen.
    »Ich bin keineswegs als Gegner hergekommen. Ein Auftrag
hat mich ins Schloss de Sancé geführt. Eine Botschaft aus fernen Ländern. Ich hätte gerne mit Baron Armand unter vier Augen darüber geredet, aber ich sehe, dass es bei Euch üblich ist, Eure Angelegenheiten offen vor der gesamten Familie zu klären. Ich mag diese Einstellung. So hielten es die Patriarchen und auch die Apostel.«
    Angélique bemerkte, dass ihr Großvater genauso weiß geworden war wie der elfenbeinerne Knauf seines Gehstocks und er sich gegen den Türrahmen lehnen musste. Mitleid erfüllte sie. Am liebsten hätte sie die Worte, die nun folgen würden, aufgehalten, aber da sprach der Pastor auch schon weiter.
    »Monsieur Antoine de Ridoué de Sancé, Euer Sohn, dem zu begegnen ich in Virginia das Vergnügen hatte, hat mich gebeten, das Schloss aufzusuchen, in dem er geboren wurde, und mich nach seiner Familie zu erkundigen, damit ich ihm bei meiner Rückkehr von ihr berichten könne. Hiermit ist meine Aufgabe erfüllt …«
    Der alte Baron war mit kleinen Schritten auf ihn zugegangen.
    »Hinaus«, befahl er mit tonloser, keuchender Stimme. »Solange ich lebe, wird der Name meines Sohnes, der sich von seinem Gott, seinem König und seinem Vaterland losgesagt hat, in diesem Haus nicht mehr genannt werden. Hinaus, sage ich. Ich dulde keinen Hugenotten unter meinem Dach!«
    »Ich gehe«, antwortete der Pastor ruhig.
    »Nein!«
    Erneut erklang Raymonds Stimme.
    »Bleibt, Monsieur. Ihr könnt bei diesem Regen nicht hinaus in die Nacht. Kein Einwohner von Monteloup wird Euch Obdach gewähren, und das nächste protestantische Dorf ist viel zu weit entfernt. Ich bitte Euch, die Gastfreundschaft meines Zimmers anzunehmen.«

    »Bleibt«, sagte auch Josselin mit seiner rauen Stimme. »Ihr müsst mir noch von Amerika und dem Meer erzählen.«
    Der Bart des alten Barons zitterte.
    »Armand«, rief er mit einer Verzweiflung, die Angélique das Herz brach, »hier also hat der rebellische Geist Eures Bruders Antoine Zuflucht gefunden. In diesen beiden Jungen, die ich liebte. Gott will mir auch nichts ersparen. Ich habe wohl schon zu lange gelebt.«
    Er schwankte. Es war Guillaume, der ihn auffing.
    »Antoine... Antoine...«, murmelte er vor sich hin, während er, auf den alten lutherischen Soldaten gestützt, hinausging.
     
    Ein paar Tage darauf starb der alte Großvater. Niemand konnte sagen, an welcher Krankheit. Im Grunde schlief er einfach ein, während alle glaubten, er habe sich von der Aufregung über den Besuch des Pastors wieder erholt.
    So blieb ihm der Schmerz über Josselins Fortgehen erspart.
    Denn eines Morgens kurz nach seiner Beerdigung hörte Angélique im Schlaf, wie jemand mit halblauter Stimme ihren Namen rief: »Angélique! Angélique!«
    Als sie die Augen öffnete, sah sie Josselin an ihrem Bett stehen. Sie bedeutete ihm mit einer Geste, ihre Schwestern nicht aufzuwecken, und folgte ihm hinaus in den Flur.
    »Ich gehe weg«, flüsterte er. »Versuch, dafür zu sorgen, dass sie es verstehen.«
    »Wo willst du denn hin?«
    »Zuerst nach La Rochelle und von da aus auf einem Schiff nach Amerika. Pastor Rochefort hat mir von den Ländern dort erzählt, den Antillen und den Kolonien: Virginia, Maryland und die Neuen Niederlande. Ich werde schon einen Ort finden, wo man mich haben will.«
    »Hier will man dich doch auch haben«, sagte sie traurig.
    Sie zitterte in ihrem verschlissenen Nachthemd.

    »Nein«, entgegnete er, »in dieser Welt gibt es keinen Platz für mich. Ich bin es leid, einer Klasse anzugehören, die zwar über Privilegien verfügt, aber von keinerlei Nutzen mehr ist. Reich oder arm, die Adligen wissen überhaupt nicht mehr, wozu sie da sind. Sieh dir nur unseren Vater an. Er weiß nicht, was er tun soll. Er erniedrigt sich und

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