Angélique - Hochzeit wider Willen
und Knickse ab, um sie anzusprechen, zu beglückwünschen und willkommen zu heißen. Hatte man nicht
bereits zu fürchten begonnen, der Auftritt einer solchen Göttin gestern könne nichts als ein vergänglicher Traum gewesen sein? Aber jetzt war sie ja da! Jeder wollte ein Kompliment loswerden oder ihr einen Segenswunsch darbringen. Der Marquis de Sevilla trug ihr sogar ein improvisiertes Gedicht vor. Angélique schaute sich nach Péguilin de Lauzun um. Sie hatte ihn gestern gesehen, und vielleicht hatte er sie zum Tanzen aufgefordert. Aber im Strudel ihrer Ängste war er ihr keine Hilfe gewesen. Der Marquis d’Andijos erklärte ihr, Péguilin sei bereits abgereist. Er war dringend wieder in den Dienst des Königs berufen worden. Aber er, Bernard, war ja da! Ganz für sie da! Er strahlte. Monsieur de Peyrac hatte ihn gebeten, sie weiterhin zu begleiten und in diese neue Welt einzuführen, die jetzt die ihre war; was er sogleich tat, indem er sie zu einem Stuhl mit überaus hoher Lehne führte, auf dem sie allein an einem der Kopfenden der langen Tafel sitzen sollte.
Er musterte sie mit entzückter Miene.
»Ah! Nun macht Ihr schon ein ganz anderes Gesicht. Kein Vergleich zu der Miene, die ich die Ehre – besser gesagt das Unglück – hatte zu betrachten, während ich noch Euer Ehemann war. Wahrlich, es stimmt, dass die Liebe die Schönheit einer Frau steigert und die schüchternste Dame in eine verführerische Königin verwandelt! Habe ich Euch nicht versichert, Euer Gatte sei ein Meister der Wollust? Erzählt mir von Euren Entdeckungen, Eurem Entzücken... Das seid Ihr mir schuldig für all die Tränen, die ich Euch habe vergießen sehen!«
»Was erzählt Ihr da?... Ich habe keine Tränen vergossen …«
»Schlimmer noch! Ich war der Henker, der Euch zur Schlachtbank führen musste...«
Er nahm zu ihrer Linken Platz.
Mit Vergnügen stellte Angélique fest, dass sich der »kleine« Cerbalaud rechts von ihr setzte. Er war stets weniger redegewandt als d’Andijos gewesen, aber jetzt hob er ebenfalls zu einer Lobrede auf ihre strahlende Miene an, die Veränderung, die sie zu einer Göttin machte, die vom Olymp herabsteigt und – dabei senkte er die Stimme – zur schönsten Frau von Toulouse.
So viele Kompliment für eine junge Braut, das muss hier Brauch sein, sagte sie sich, denn anscheinend ist dies das Land der Dichter …
Doch trotz der Übertreibung, die sie hinter all diesen überschwänglichen Huldigungen und Komplimenten vermutete, konnte sie nicht darüber hinwegsehen, dass sie ein sehr schmeichelhaftes Bild bot, das – wie ein junger und naiver Bewunderer gerufen hatte – »auch aus der Nähe gesehen nicht täuschte«.
Kein Wunder, dass die Menschen sich freuen, wenn eine Frau gekleidet und mit Schmuck behängt ist wie eine Königin und sich draußen die Sonne ergießt wie in anderen Ländern der Regen!
Pulchérie hatte sich bemüht, sie Bescheidenheit zu lehren, das Gegenteil des Lasters der Hoffart. Doch einen Moment lang genoss sie das Vergnügen, im Mittelpunkt so vieler bewundernder Blicke zu stehen, an deren Aufrichtigkeit zu zweifeln sie keinen Anlass hatte.
Die Menschen fanden sie schön.
Das verlieh ihr eine neue und ein wenig berauschende Macht.
Doch dieser Moment der Euphorie, geboren aus der zuvor kaum jemals gekannten Freude, schön zu sein und bewundert zu werden, war kurz und erlosch so rasch wie ein launischer Funke. Ihr Blick glitt über das Geschirr aus Gold und feuervergoldetem
Silber, über die Gläser und Karaffen aus Kristall und die Blumendekorationen und fiel auf die Gestalt des Mannes, der ihr gegenüber am anderen Ende des Tisches saß. Dunkel hob er sich von einer strahlend hellen Arkade ab, die am anderen Ende der Galerie, in der das Festessen stattfand, in den Park führte. Obwohl er im Gegenlicht saß und sie seine Züge nicht erkennen konnte, wusste sie, dass er sie ebenfalls ansah, und sie empfand von neuem ein Gefühl von Angst.
Diese dunkle Gestalt besiegelte ihr Schicksal.
Er war ihr Mann. Seine Stimme ließ sich mühelos unter den anderen heraushören. Er schien äußerst gut aufgelegt zu sein.
Er bat um Ruhe und fügte hinzu, das, was er zu sagen habe, sei wichtig.
Anschließend sprach er über Weine. Angélique erriet, dass er lächelte. Ein amüsierter, wohliger Schauer ergriff die Gäste, die seinem Auftakt andächtig gelauscht hatten und sich jetzt entspannten, als sie eines ihrer liebsten Gesprächsthemen erkannten. Während rund um
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