Angelique und der Koenig
man ihn ihr verweigert. Sie war zu arm. Dem Reichen fiel es leichter, noch mehr zu erlangen.
»Ich führe mich nicht gern als Beispiel an«, erklärte ihr Françoise, »aber bedenkt, dass ich dem König persönlich oder durch Vermittlung hochgestellter Freunde über achtzehnhundert Gesuche überreicht habe!«
»Was?« rief Angélique aus und richtete sich ungläubig in ihrem Bett auf.
»Und dass ich, abgesehen von ein paar kümmerlichen Ämtern, die mir alsbald wieder genommen wurden, nichts erreichte. Aber ich lasse mich nicht entmutigen. Der Tag wird kommen, an dem der Wert dessen, was ich an Rechtschaffenem und Nützlichem im Dienst Seiner Majestät oder irgendeiner vornehmen Familie zu leisten imstande bin, gewürdigt werden wird. Vielleicht um dessen Seltenheit willen.«
»Seid Ihr so sicher, dass Euer System das richtige ist?« fragte Angélique zweifelnd. »Ich habe erzählen hören, Seine Majestät beklage sich, ›dass es Gesuche von Madame Scarron regne wie Blatter im Herbste und dass Ihr im Begriff wäret, in seinen Augen eine ebenso unwandelbare Figur zu werden wie die der Wandteppiche von Saint-Germain und Versailles.«
Françoise verzog keine Miene. »Das ist keine schlechte Nachricht. Wenn der König es auch nicht wahrhaben will, imponiert ihm doch nichts so sehr wie Hartnäckigkeit, und um Erfolg zu haben, muss man zunächst die Aufmerksamkeit des Monarchen auf sich lenken. Das ist bereits geschehen, wie Ihr sagt, und daher bin ich überzeugt, dass ich mein Ziel erreichen werde.«
In ihren Augen loderte eine Flamme auf. Mit leiserer Stimme fuhr sie fort:
»Ich bin den Schwatzbasen gegenüber sehr misstrauisch, Angélique, aber Ihr gehört nicht zu ihnen. Wenn Ihr Euch gern und nicht ohne Geist unterhaltet, so häufig deshalb, um von Euch selbst abzulenken und das Kostbarste in Euch zu verbergen. Fahrt fort, auf solche Weise zu schweigen. Das ist die beste Art, sich unter die Menschheit zu mengen und dennoch im verborgenen zu bleiben. Ich für mein Teil schweige seit Jahren. Aber Euch möchte ich etwas anvertrauen, was ich noch niemand gesagt habe und was Euch meine Ausdauer erklärlich machen wird: Ich bin Gegenstand einer Prophezeiung gewesen.«
»Meint Ihr jene albernen Weissagungen, die die Hellseherin Mauvoisin Athénaïs de Montespan Euch und mir einmal gemacht hat?«
»Nein. Offen gesagt, von der Mauvoisin halte ich nicht viel. Sie fischt mir ihr Wissen zu sehr aus ihrem Weinkrug. Die Prophezeiung, die ich meine, ist mir vor drei Jahren von einem jungen Arbeiter in Versailles gemacht worden. Ihr wisst ja, dass viele einfache Leute, die manuell arbeiten und deren Verstand niemals kultiviert worden ist, die Gabe des Zweiten Gesichts besitzen. Es war ein stotternder Maurerlehrling mit einem Klumpfuß. Ich ging über einen Bauplatz in nächster Nähe des Schlosses. Jener junge Mann erhob sich, kam auf mich zu und machte eine tiefe Verbeugung. Seinen Kameraden war es peinlich, aber sie verspotteten ihn nicht, denn sie wussten, dass er ein Hellseher war. Dann sagte er mit erleuchtetem Blick, er begrüße in mir ›die erste Frau des Königreichs‹, und an der Stelle, wo wir ständen, sähe er das Schloss von Versailles noch großartiger und riesiger, sähe er Hofleute, die sich, den Hut in der Hand, vor mir verbeugten. Wenn mich die Mutlosigkeit überkommt, denke ich an diese Worte und kehre nach Versailles zurück, dorthin, wo mich das Schicksal erwartet.«
Sie lächelte, aber ihre dunklen Augen leuchteten noch immer. Bei einer anderen hätte Angélique solche Äußerungen nicht ernst genommen, doch aus Madame Scarrons Mund klangen sie eindrucksvoll. Weit davon entfernt, Antipathie zu verspüren, schien ihr die Erhaltung ihrer Freundschaft mit Françoise wichtiger denn je.
»Ihr, die Ihr Euch in so vielen Dingen auskennt«, sagte sie, »erklärt mir doch, welche Hindernisse mir bei Hofe im Wege stehen. Lange Zeit hatte ich meinen Mann im Verdacht, gegen mich zu intrigieren…«
»Euer Gatte trägt am wenigsten Schuld daran. Er weiß, was vorgeht, denn er hat große Erfahrung bei Hof, aber keinerlei Lust, einzugreifen. Offen gesagt, Ihr seid zu schön!«
»Wie kann mir das schaden? Und wem außer mir? Es gibt schönere Frauen als mich, Françoise! Schmeichelt mir nicht so töricht.«
»Ihr seid auch... anders.«
»Der König hat mir etwas Ähnliches gesagt«, murmelte Angélique nachdenklich.
»Seht Ihr! Ihr gehört nicht nur zu den schönsten Frauen des Hofs, Ihr habt auch die Mittel, Euch
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