Angels - Meine Rache waehrt ewig
kein Recht darauf, ein Seminar zu leiten, und schon gar nicht einen ganzen Fachbereich!« Sie schnaubte und öffnete die Tür. »Seit Vater Anthony – oh, Verzeihung, ›Vater Tony‹ – Vater Stephen abgelöst hat, ist die Hölle los, vermutlich, weil er so hip ist und gut Freund mit jedem.«
Mit zusammengepressten Lippen schüttelte Irene den Kopf und trat über die Schwelle hinaus auf die Außentreppe. »Wo liegt denn da der Fortschritt? Sie führen Moralitäten auf – ach du Schande! Vampire? Es hat ganz den Anschein, als befände sich das All Saints College auf dem Weg zurück ins finsterste Mittelalter!« Damit umfasste sie das Geländer und eilte die Treppen hinunter.
Offenbar zählte Irene Calloway nicht zu den Menschen, die frei von Vorurteilen waren.
Kristi schloss die Tür hinter ihrer neuen Vermieterin und überprüfte die Fenster.
Sämtliche Fensterriegel in dem kleinen Apartment waren defekt. Gleich nachdem Kristi die Treppe hinuntergegangen war, um ihre Sachen zu holen, wählte sie Hirams Nummer. Irenes Enkel meldete sich nicht, aber Kristi hinterließ ihm eine Nachricht und ihre Telefonnummer auf dem Anrufbeantworter und begann, ihre wenigen Besitztümer in ihr neues Zuhause zu schaffen – ein Krähennest, von dem aus man über das Gelände des All Saints College blicken konnte.
An ihrem Schreibtisch im Baton Rouge Police Department starrte Detective Portia Laurent auf die Fotos der vier vermissten Studentinnen. Keine von ihnen war wieder aufgetaucht. Sie waren wie vom Erdboden verschluckt.
Während um sie herum ihre Kollegen auf den Computertastaturen klapperten, die Drucker summten und eine alte Uhr die letzten Tage des Jahres hinwegtickte, betrachtete Portia die Fotos wohl zum tausendsten Mal. Sie waren alle so jung! Lächelnde junge Frauen mit frischen Gesichtern, Intelligenz und Hoffnung im Blick.
Oder war das nur eine Maske?
Lauerte etwas Finsteres hinter diesem strahlenden Lächeln?
Diese Mädchen waren abgeschrieben. Niemand, weder die Kollegen beim Police Department noch die College-Verwaltung, noch nicht einmal die Angehörigen der vermissten Studentinnen schienen ein Gewaltverbrechen in Erwägung zu ziehen. Keiner. Diese lächelnden Ex-College-Studentinnen waren einfach abgehauen, eigensinnige ungezähmte Mädchen, die sich aus irgendeinem Grund dazu entschieden hatten zu verschwinden.
Waren sie in Drogengeschichten verwickelt?
In Prostitution?
Oder hatten sie einfach keine Lust mehr zu studieren?
Gab es irgendwelche Freunde, mit denen sie durchgebrannt waren?
Hatten sie sich entschlossen, per Anhalter durchs Land zu trampen?
Oder wollten sie nur eine kleine Auszeit nehmen und waren nicht mehr zurückgekehrt?
Portia schien die einzige Person auf dem Planeten zu sein, die sich Sorgen machte. Sie hatte sich Kopien von den Studentenausweisen der Mädchen an die Pinnwand ihres Arbeitsplatzes geheftet. Die Originale steckten in dem großen Aktenordner mit Fotos sämtlicher in jüngster Zeit vermisster Personen. Aber das hier war etwas anderes: Diese Fotos zeigten junge Frauen, die alle vier das All Saints College besucht hatten und plötzlich spurlos verschwunden waren. Es gab keine Kreditkartenabbuchungen, keine eingelösten Schecks, keine Bargeldabhebungen. Sie hatten weder ihre Handys benutzt, noch waren sie in einem der örtlichen Krankenhäuser aufgetaucht. Keine hatte ein Bus- oder Flugticket gekauft oder war im Internet gewesen.
Portia starrte auf die Fotos und fragte sich, was zum Teufel mit ihnen passiert war. Tief im Innern ging sie davon aus, dass sie tot waren, auch wenn sie gleichzeitig hoffte, dass ihr Cop-Instinkt falsch lag.
Die Studentinnen hatten kein Fahrzeug besessen und stammten auch ursprünglich nicht aus dem Bundesstaat Louisiana. Die letzten Personen, die sie lebend sahen, hatten nichts Seltsames festgestellt und konnten der Polizei nicht den geringsten Hinweis darauf liefern, was die Mädchen vorgehabt hatten, wohin sie gegangen waren, mit wem sie sich getroffen haben könnten.
Es war einfach frustrierend.
Portia fischte in ihrer Handtasche nach der Packung Zigaretten, dann rief sie sich in Erinnerung, dass sie das Rauchen aufgegeben hatte. Vor drei Monaten, vier Tagen und fünf Stunden. Sie nahm sich einen Nikotinkaugummi und verspürte beim Kauen eine leichte Befriedigung. Dann blickte sie wieder von einem Foto zum anderen.
Das erste Opfer, das nun schon fast seit einem Jahr vermisst wurde, genauer gesagt seit letztem Januar, war eine
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