Angels - Meine Rache waehrt ewig
einparkte, weil irgendein Trottel seinen zerbeulten Pick-up mit übergroßen Reifen darauf abgestellt hatte. Bevor sie etwas erwidern konnte, fuhr die Stimme fort: »Hier spricht Dr. Grotto. Zunächst einmal möchte ich mich dafür entschuldigen, Sie nicht früher zurückgerufen zu haben. Ich habe Ihre Nachricht erhalten.« Seine Stimme war aalglatt und hatte denselben Ton, mit dem er auch unterrichtete. Kristi sah ihn vor ihrem inneren Auge: groß, schwarzhaarig, dunkle Augen, einen Bartschatten auf dem markanten Kinn. Sie schluckte ihren Ärger hinunter. »Sie sagten, Sie würden gern in meine Sprechstunde kommen, und jetzt hat sich mein Terminplan etwas gelockert. Wie wär’s morgen Nachmittag? Sagen wir … um vier?«
Kristi überlegte rasch. Sie war für die Abendschicht eingetragen, aber vermutlich würde sie jemanden finden, der eine Stunde länger für sie dablieb. »Sicher«, sagte sie leichthin, als hätte sie lediglich vor, ihm wegen des Seminars eine Frage zu stellen. Sie dachte an den dunklen Van und fragte sich, ob Grotto der Fahrer gewesen war. »Ich bin um vier in Ihrem Büro.«
»Bis dann.«
Er legte auf, und Kristi stellte den Motor ab. Sie konnte es kaum erwarten, von Angesicht zu Angesicht mit Grotto zu sprechen, schließlich war er der Letzte, der Dionne Harmon lebend gesehen hatte.
Sie blickte sich sorgfältig um, bevor sie ausstieg, um sicherzugehen, dass niemand zwischen den geparkten Autos oder hinter der Kreppmyrtenhecke lauerte, dann ging sie nervös zu ihrem Apartment. Soweit sie es beurteilen konnte, war alles genau so, wie sie es hinterlassen hatte. Sie glaubte nicht, dass jemand dort gewesen war.
Sie verspürte das dringende Bedürfnis, Jays Kamera die Zunge rauszustrecken oder einen kleinen Striptease hinzulegen, ließ es aber bleiben. Vielleicht hatten sie doch eine Kamera übersehen.
Houdini kam aus seinem Versteck unter der Bettcouch hervor. »Ich hab mich schon gefragt, wann du dich mal wieder blicken lassen würdest«, sagte sie. »Hat dir der große Hund Angst eingejagt? Glaub mir, Bruno würde keiner Fliege was zuleide tun.« Sie fuhr dem Kater mit der Hand über den Rücken. Er zitterte und versuchte eilig, sich ihrer Berührung zu entwinden. Sie füllte seine Schüssel mit Katzenfutter und beobachtete amüsiert, wie er verächtlich daran schnupperte. »Hey, vergiss nicht, wo du herkommst«, sagte sie. »Streuner sollten nicht wählerisch sein.«
Houdini starrte sie an, als wäre sie schwachsinnig, dann sprang er auf den Tresen und schlüpfte durch das geöffnete Fenster. »Keine gute Tat bleibt ohne Folgen!«, rief sie hinter ihm nach. Dann ging sie ins Bad und zog eine schwarze Hose und einen Rollkragenpulli an. Sie warf sich eine Jacke über, griff nach ihrer Handtasche mit Handy und Pfefferspray und war auch schon wieder zur Tür hinaus.
Das Wetter hatte sich ein wenig gebessert, obwohl das defekte Gebläse die Sicht nach wie vor erschwerte. Kristi musste mit der Hand die Scheibe freiwischen, aber sie entdeckte keinen dunklen Van, der mit bösen Absichten in irgendeiner Einfahrt auf sie lauerte.
Sie parkte hinter Wagner House. Das Museum schloss in Kürze, aber sie wollte noch einmal hinein.
Die Eingangstür öffnete sich, ohne zu quietschen. Kristi trat ein. Drinnen brannte ein munteres Gasfeuer. Die bunten Tiffany-Lampen glitzerten wie Juwelen. Viktorianische Sofas und Klubsessel waren um Mahagonitische gruppiert, der Esstisch mit Kristall und Silber gedeckt, als würde später am Abend eine Dinnerparty stattfinden.
Drei Frauen um die fünfzig bestaunten die Einrichtung und Ziergegenstände. Ein jüngeres Paar mit einem Baby, das der Vater in einem Babytuch vor sich trug, spazierte durch die Räume im Erdgeschoss.
»Hallo.« Eine schlanke Frau mit einem unbefangenen Lächeln und glatten Haaren, die ihr Kinn umspielten, begrüßte Kristi. Sie trug einen langen Rock, Stiefel und einen Pullover mit weitem Rollkragen. Auf ihrem Namensschild stand Marilyn Katcher. »Ich bin Marilyn, die Museumsführerin, und ich mache gerade noch eine kleine Führung durchs Haus. Möchten Sie sich den anderen anschließen?«
Kristi blickte in die erwartungsvollen Gesichter. »Das wäre großartig.«
Sie folgte den anderen Besuchern und hörte der Führerin zu, die mit einer Begeisterung, die Kristi erstaunlich fand, die kleine Gruppe durch die Räume im Erdgeschoss geleitete und die Geschichte der Familie erläuterte. Sie machte ein großes Getue um den alten Ludwig Wagner und
Weitere Kostenlose Bücher