Angels - Meine Rache waehrt ewig
das exakt die Kriminalgeschichte war, die sie recherchieren und zu Papier bringen sollte.
Irgendetwas
hatte die Studentinnen fortgelockt.
Mädchen verschwanden nicht ohne Grund. Nicht vier Studentinnen von ein und demselben kleinen College innerhalb von achtzehn Monaten. Nicht vier Studentinnen, die dieselben Kurse belegt hatten.
Sie hörte Schritte auf der Treppe und markierte die Seite, die sie gerade las. Eine Sekunde später klopfte es an der Tür. Sie stieß sich mit ihrem Drehstuhl vom Schreibtisch ab und durchquerte das kleine Zimmer, um durch den Türspion zu blicken. Auf dem Treppenabsatz, der ihre Veranda darstellen sollte, stand ein ungepflegter Mann Anfang zwanzig, vielleicht jünger. Sein blondes Haar klebte feucht und fettig an seinem Kopf. Er hielt einen Werkzeugkoffer in der Hand und machte ein äußerst genervtes Gesicht, was wohl Autorität ausdrücken sollte.
Ohne Zweifel der verschollene Hiram.
»Wer ist da?«, fragte sie, nur um sicherzugehen.
»Der Verwalter. Hiram Calloway. Ich muss deine Schlösser überprüfen.«
Er sah so erbärmlich aus, wie sie sich ihn vorgestellt hatte, mit seinem dünnen Bart, einem alten Böser-Bube-T-Shirt von einem Metallica-Konzert, einer schäbigen Camouflage-Hose und einem missmutigen Es-interessiert-mich-einen-Scheißdreck-Gesichtsausdruck.
Kristi öffnete die Tür einen Spaltbreit und ließ die Kette vorgelegt. »Ich habe mich bereits um die Schlösser gekümmert.«
»Du kannst das nicht einfach selbst machen. Das Apartment gehört dir nicht. Es ist meine Aufgabe, mich darum zu kümmern.«
»Nun, du warst nicht aufzuspüren, also habe ich die Sache in die Hand genommen«, sagte Kristi mit Nachdruck.
Er runzelte die Stirn. Seine Lippen verzogen sich verdrießlich über leicht vorstehenden Zähnen. »Dann muss ich einen Schlüssel haben. Ich meine, einen Nachschlüssel. Meiner … Mrs Calloway gehört das Gebäude. Sie muss Zugang haben. So steht es im Mietvertrag.«
»Ich werde dafür sorgen, dass sie einen bekommt.«
»Das verzögert das Ganze lediglich. Sie wird mir sowieso einen Nachschlüssel geben. Ich habe von jedem Apartment in diesem Haus einen Schlüssel. Ich muss in die Wohnungen reinkönnen, wenn irgendetwas passiert ist oder wenn du deinen Schlüssel verlierst, oder –«
»Ich werde meinen Schlüssel nicht verlieren.«
»Es ist zu deiner eigenen Sicherheit.«
»Wenn du meinst.« Sie gab nichts darauf.
»Mein Gott, warum bist du nur so eine –« Er verschluckte die Beleidigung im letzten Augenblick.
In Kristi flackerte Zorn auf. »Ich habe dich angerufen, und es hat drei Tage gedauert, bis du dich bei mir gemeldet hast. Sämtliche Schlösser und Riegel in dem Apartment waren kaputt oder lose, und ich habe gehört, dass eine der verschwundenen Studentinnen hier gewohnt hat. Also fand ich, es wäre besser, mich selbst darum zu kümmern.«
Ihm fiel der Kiefer herunter. »Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du locker bleiben sollst?«
»Wie du?«, schnappte sie zurück.
Er wurde tatsächlich rot, und sie verspürte einen Anflug von Mitleid. Der Junge wollte offenbar nur seinen Job machen, selbst wenn er vollkommen inkompetent war.
»Sei nicht so gemein«, murmelte er.
Kristi seufzte innerlich. »Okay, noch mal von vorn. Alles ist in Ordnung. Ich habe die Schlösser angebracht. Ich werde deiner Grandma einen Schlüssel geben, und sie kann dir einen zukommen lassen, wenngleich ich sehr darum bitte, dass du hier nicht aufkreuzt, bevor du mich benachrichtigt hast … Ich denke, das steht ebenfalls im Mietvertrag.« Sie hakte die Kette aus und öffnete die Tür ein Stück. Dann trat sie auf den kleinen Treppenabsatz hinaus. »Ich wollte dir nicht auf dem falschen Fuß begegnen, Hiram. Ich bin nur ein bisschen nervös, seit ich das von dem verschwundenen Mädchen gehört habe. Deine Grandma hat nichts davon erwähnt, und es ist etwas unheimlich.« Er starrte auf die Dielen. Jetzt wirkte er nicht einen Tag älter als siebzehn. »Hast du sie gekannt? Ich meine Tara?«
»Kaum. Wir haben uns mal unterhalten. Ein wenig.« Er hob die Augen, um Kristis fragendem Blick zu begegnen. »Sie war nett. Freundlich.« Er musste nicht hinzufügen »anders als du«, denn die unausgesprochene Anschuldigung lag in seinem finsteren, unergründlichen Blick. Seine Züge verhärteten sich beinahe unmerklich, aber doch so, dass Kristi sah, wie sich sein Kiefer verkrampfte. In diesem Augenblick wusste sie, dass sie sich von seinem kindlichen Aussehen
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