Angels of the Dark: Verruchte Nächte
Noch während er das sagte, fiel ihm ein, wie Thane ihr gefallen hatte. Die kleine Zornesflamme wuchs, und er hätte schwören können, in seinem Inneren ein tropf, tropf zu vernehmen. „Außer Männern. Du darfst keinen Mann herbeirufen.“
Zacharel hatte sie gerettet. Zacharel würde sich um sie kümmern.
Fragend neigte sie den Kopf zur Seite, und das Licht traf ihr Gesicht in einem anderen Winkel. Dunkle Schatten verunzierten die zarte Haut unter ihren Augen, und ihre Wangen wirkten hohl. So zerbrechlich, dieser Mensch. „Das verstehe ich nicht. Hast du Diener, die mir bringen, was ich will?“
„Keine Diener. Ich werde es dir zeigen. Was ist etwas, das du begehrst?“ Er fuhr sich mit der Zunge über die Zähne. „Außer einem Mann.“
„Eine Dusche.“ Ohne Zögern. „Ohne dass mir jemand zusieht.“
„Eine Dusche mit Sichtschutz“, sagte er und wies hinter sie.
Zweifelnd hob sie eine Augenbraue und drehte sich um. Nebel stieg auf und verdichtete sich, nahm Gestalt an, bis eine Duschkabine in voller Pracht vor ihr stand. Die Wände bestanden aus satiniertem Glas, es gab mehrere Drehknöpfe zum Bedienen und einen Abfluss in der Bodenwanne.
Sie schnappte nach Luft, erfreut und ungläubig zugleich. „Essen“, stieß sie hervor, und in ihrer Stimme lag unermessliche Begeisterung.
Tropf, tropf . Nur, dass … Mittlerweile war es nicht mehr Zorn, der die Flamme nährte. Er war sich nicht sicher, was es war.
Enttäuscht schürzte sie die Lippen. „Es ist nichts passiert.“
„Du musst konkreter werden“, erklärte er.
Ihre Zungenspitze erschien, strich über ihre Lippen. „Ich will Nudelauflauf mit Hummerfleisch, Englisches Frühstück, Spargelrisotto, Enchiladas mit Rinderhack, panierte Hähnchenschnitzel, Brownies mit Glasur, Brownies ohne Glasur, Brombeer-Cobbler mit Vanilleeis, gefüllten Truthahn und … und … und …“
Neben ihm materialisierte sich ein großer runder Tisch, dessen Beine geschnitzt waren wie zierliche, langgezogene Flügel. Als Nächstes kam ein edles weißes Tischtuch in genau der passenden Größe. Dann erschienen die verlangten Gerichte, eins nach dem anderen, bis der gesamte Tisch vollstand mit dampfenden Schüsseln und perfekt arrangierten Servierplatten.
Mit zittrigen Knien trat sie vor und klammerte sich an der Tischkante fest. Dann schloss sie die Augen und atmete tief ein, und höchstes Entzücken erstrahlte auf ihren lieblichen Zügen. „Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll“, gestand sie.
„Beginn an einem Ende und arbeite dich bis zur anderen Seite durch.“
Sie leckte sich die Lippen. „Hast du Hunger? Willst du auch was? Dann muss ich noch mehr bestellen.“
Mehr? „Nein, danke. Ich werde morgen früh essen.“ Vor der Schlacht aß er nie, und seinen Auftrag hatte er noch nicht ganz abgeschlossen. Aber wie gern hätte er ihr beim Essen zugesehen. Ihre Freude beobachtet, ihre Leidenschaft … Was machst du hier eigentlich? „Niemand wird dich stören.“
Sie gab keine Antwort, sondern griff nach dem Vanilleeis.
Hektisch wandte er sich auf der Stelle um und flüchtete sich vor ihr in den Nebel. Als er zurücksah, verdeckte dieser Nebel sie – doch so substanzlos er auch erschien, er würde sie in diesem Raum halten.
Mit ausgestreckter Hand befahl er dem Durchgang, sich zu verschließen. Nur er würde ihn wieder öffnen können. Nur er würde eintreten können – oder den Raum verlassen. Außerdem würde Annabelle nichts hören, was außerhalb ihres Zimmers geschah.
Nachdem das erledigt war, marschierte er den Flur hinunter, während der Boden sich erst unter seinen Füßen verfestigte. Vorbei an seinem Schlafzimmer, seiner Zuflucht, und hinein in die Verhörzelle, wo die fünf Krieger seiner Armee auf ihn warteten, denen er am meisten vertraute. Wobei „Vertrauen“ natürlich ein relativer Begriff war.
Thane, Björn und Xerxes standen wie immer zusammen und etwas abseits von den anderen. Anders als die meisten Engel war Xerxes nicht mit körperlicher Perfektion gesegnet. Er hatte langes weißes Haar, das er sich mit einem juwelenbesetzten Reifen aus dem Gesicht hielt. Seine Haut war farblos, als hätte sich gleich unter der Oberfläche der Tod eingenistet, und übersät von kleinen, in Dreiergruppen angeordneten Narben. Drei Linien,Lücke, drei Linien, Lücke, drei Linien. Aus roten Augen beobachtete er die Welt mit einer Intelligenz – und einem Zorn –, der nur wenige ebenbürtig waren.
In diesem Augenblick starrten diese
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