ANGRIFF - Fantastischer Thriller (German Edition)
zusammen erlebt. Er hatte Nick praktisch aufgezogen. Er sah, dass die Augen des jungen Mannes feucht waren. Wusste er Bescheid?
»Frohes neues Jahr, Junge. Ich bin stolz auf dich.«
»Und ich bin stolz auf dich, Pater Bill. Nächstes Jahr wird besser. Glaub es mir.«
Bill nickte nur. Würde er versuchen, diese offensichtliche Illusion selbst auszusprechen, ginge das wahrscheinlich schief.
Er sah zu, wie Nick den Flur hinunter verschwand, dann wandte er sich zu Dannys Tür. Er zögerte, wie er es immer tat, und wie es jeder tun würde, bevor er über die Schwelle zur Hölle trat, und sandte ein letztes Gebet gen Himmel.
Zwing mich nicht, das zu tun, oh Herr. Verlang das nicht von mir. Nimm diese Sache selbst in die Hand. Heil ihn oder nimm ihn zu dir. Erspare uns beiden diesen Kelch. Bitte.
Aber als er entschlossen den Raum betrat, hörte er das heisere, pfeifende, flüsternde Stöhnen und fand Danny immer noch zuckend auf dem Bett.
Bill schloss die Tür hinter sich und ließ den Tränen jetzt ihren Lauf. Dann lehnte er sich gegen die Wand und kniff die Augen zu. Er fühlte sich mehr allein, als er es je für möglich gehalten hätte – allein in diesem Zimmer, allein in der Stadt, allein auf der Welt. Und er sah keine andere Möglichkeit, als das zu tun, was er den ganzen Tag über vorbereitet hatte.
Er ging zum Bett hinüber und sah auf Dannys schmales, gequältes, gespensterbleiches Gesicht herunter. Für einen Sekundenbruchteil klarten die vor Schmerzen wahnsinnigen Augen des Jungen auf und Bill sah in ihnen ein flüchtiges, verzweifeltes Flehen um Hilfe. Er ergriff die schmale kleine Hand.
»Gut, Danny. Ich habe versprochen, dir zu helfen, und ich werde es tun.« Niemand sonst schien dazu in der Lage oder bereit – nicht die Ärzte, nicht einmal Gott persönlich. Also blieb nur Bill. »Das ist eine Sache zwischen uns beiden, Junge. Ich werde dir helfen.«
2.
Bill wartete geduldig den Schichtwechsel ab, bis die neu zum Dienst gekommenen Schwestern von der vorherigen Schicht den aktuellen Bericht über jeden Patienten erhalten hatten. Das lief heute hastiger als sonst ab, dann war die Nachmittagsschicht mit einem Frohes-neues-Jahr an alle anderen im Rekordtempo aus dem Haus. Sie wollten feiern.
Bill plauderte ein wenig mit Beverly, der Stationsschwester der Nachtschicht, als die während ihrer ersten Runde Dannys nutzlose Infusionen überprüfte. Dann wartete er noch etwas.
Um Viertel vor zwölf warf er einen Blick in den Korridor. Niemand in Sicht. Sogar das Schwesternzimmer war leer. Schließlich fand er alle. Die ganze Schicht drängte sich im Zimmer eines der älteren Kinder, einem Jungen, der sich von einer Blinddarmoperation erholte. Sie alle verfolgten im Fernsehen die Silvesterparade, die gerade auf den traditionellen Countdown hinauslief, der mit dem Fall der beleuchteten Kugel am Times Square endet.
Bill schlich sich ins Schwesternzimmer zurück, drückte auf den Knopf, der Dannys EKG-Monitor abschaltete, dann hastete er in Dannys Zimmer zurück. Hektisch entfernte er die beiden EKG-Elektroden von der Brust des Jungen, dann zog er die Infusionsnadeln aus beiden Armen und ließ die Lösungen auf den Boden tropfen. Er löste die Fixierungen von Dannys Handgelenken und hob seine erschreckend schmale Brust aus der Posey-Halterung heraus. Dann wickelte er ihn in die Bettdecke und eine zusätzliche Decke aus dem Wäscheschrank.
Der Korridor war immer noch leer. Genau die richtige Zeit. Jetzt oder nie. Er wandte sich zurück zum Bett, streckte die Arme aus, um Danny hochzuheben, doch dann zögerte er.
Das war jetzt der Zeitpunkt, oder? Der Augenblick, der alles entschied. Wenn er heute Nacht seinen Plan ausführte, dann gab es kein Zurück mehr, dann konnte er nicht einfach sagen, es tut mir leid, ich habe einen Fehler gemacht, gebt mir noch eine Chance. Man würde ihn eines furchtbaren Verbrechens bezichtigen, ihn als Monstrum hinstellen und für den Rest seines Lebens jagen. Alles, wofür er gearbeitet hatte, seit er Jesuit geworden war, war ihm dann genommen; jeder Freund, den er gehabt hatte, würde sich von ihm abwenden, jede gute Tat, die er in seinem Leben getan hatte, war für immer besudelt. War das, was er jetzt tun wollte, wirklich das alles wert?
»Begrab mich … in heiliger Erde.« Die Worte brannten sich in sein Gehirn. »… Es hört nicht auf … bis ich begraben bin …«
Er sah keine andere Möglichkeit.
Er hob Dannys zuckenden, in die Decken gewickelten Körper
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