ANGRIFF - Fantastischer Thriller (German Edition)
einmal genau hin.«
»Ich habe mir das wirklich genau angesehen, danke. Keine Angst. Ich vergesse nie ein Gesicht. Das fällt mir schon wieder ein. Geben Sie mir Ihre Nummer und ich rufe Sie an, wenn es so weit ist.«
Gewohnheitsmäßig griff Renny nach seiner Brieftasche, in der er immer ein paar Visitenkarten hatte – Karten mit der Adresse seines New-York-City-Reviers. Er lenkte die Hand zu seiner Brusttasche um und zückte Kugelschreiber und Notizbuch.
»Ich bin noch eine Weile hier in der Stadt.« Er schrieb die Nummer des Motels auf, in dem er logierte. »Hinterlassen Sie Ihre Nummer, falls ich nicht da sein sollte. Ich rufe zurück.«
»Gut.«
Er nahm den Zettel und wandte sich zur Haustür.
»Sind Sie sicher, dass Sie nicht doch noch einen Blick auf das Foto werfen wollen?«
»Ich habe es in meinem Gedächtnis abgespeichert. Ich melde mich. Schönen Tag noch, Sergeant.«
»Ihnen auch, Professor Sanders.«
Was für ein arrogantes Arschloch.
Aber Renny interessierte nicht, ob Sanders sich den Arsch mit Seidenpapier abwischte. Hauptsache, ihm fiel der Kerl wieder ein, an den ihn Pater Ryan erinnerte.
Er fühlte sich fast beschwingt, als er zurück auf den Bürgersteig hüpfte und sich auf den Weg zum letzten Namen auf seiner Liste machte – Professor Calvin Rogers. Wahrscheinlich zu alt, um Ryan zu sein. Wahrscheinlich kam bei dem Besuch nichts heraus, aber Renny wollte nicht das geringste Risiko eingehen. Man musste sich ja nur ansehen, was bei diesem fünfminütigen Gespräch mit Professor Sanders herausgekommen war.
Ja. Renny hatte so eine Ahnung, dass Sanders ihn doch noch weiterbringen würde.
4.
»Ich kann einfach nicht glauben, dass wir das hier tun«, sagte Lisl mit gedämpfter Stimme, als sie Rafe in das Foyer von Evs Apartmenthaus folgte.
»Da ist doch nichts dabei.«
Er reichte ihr einen glänzenden, neuen Schlüssel, gerade frisch an diesem Nachmittag von Evs Original kopiert.
Widerwillig nahm sie ihn. Sie war furchtbar nervös.
»Das gefällt mir nicht, Rafe.«
»Es ist ja nicht so, als würden wir etwas stehlen. Wir sehen uns nur um. Also los. Je schneller wir in der Wohnung sind, desto schneller sind wir fertig.«
Gegen diese Logik konnte sie nichts vorbringen. Und weil sie diese Sache wirklich schnell hinter sich bringen wollte, schloss Lisl die Tür in den Wohntrakt auf. Rafe ging voran und zog sie fast das enge Treppenhaus in den dritten Stock hoch. Vor der Tür zu Wohnung 3B reichte ihr Rafe einen weiteren Schlüssel. Ihre Finger waren jetzt schweißnass.
»Was, wenn er da drin ist?«
»Leg das Ohr an die Tür.«
Lisl tat es. »Das Telefon klingelt.«
Rafe nickte grinsend. »Erinnerst du dich an das Telefonat, das ich gemacht habe, bevor wir losgefahren sind?«
»Als du den Hörer neben das Telefon gelegt hast?«
»Ja. Ich habe hier angerufen. Da ging niemand dran, und wenn es jetzt noch klingelt, bedeutet das, dass er auch nicht zurückgekommen ist, während wir hierher unterwegs waren.«
Lisl überlegte, wie verschlagen Rafes Verstand arbeitete, während sie sich im Korridor umsah, um sicherzugehen, dass niemand Zeuge wurde, wie sie Evs Wohnungstür öffnete. Als die Tür wieder hinter ihnen geschlossen war, gestattete sie es sich, etwas zu entspannen – aber nur etwas.
Rafe fand den Lichtschalter und dann das Telefon. Er nahm den Hörer gerade lange genug ab, um das Klingeln zu beenden, dann legte er wieder auf.
Stille.
»So weit, so gut«, sagte er. »Wo fangen wir an?«
Lisl sah sich um. Ihr erster Eindruck war, dass niemand hier wohnte. Das einzige persönliche Utensil war der PC. Ohne den war die Wohnung wie jedes x-beliebige Hotelzimmer, nachdem das Reinigungspersonal seinen Job gemacht hatte – frisch gereinigt wartete es auf den nächsten Mieter. Die Wohnung war nicht eingerichtet wie ein Hotelzimmer – nicht bei diesem Sammelsurium von Möbelstücken, aber sie machte diesen Frisch-gereinigt-und-alles-aufgeräumt-Eindruck. Sie überlegte vage, ob die Klobrille hier wohl eine Papiermanschette hatte.
»Lass uns von hier verschwinden«, sagte sie.
»Wir sind doch gerade erst gekommen.« Er schlenderte vom Wohnzimmer im vorderen Teil in den Arbeitsraum dahinter, dann ins Schlafzimmer und wieder zurück. »Der Mann lebt wie ein Mönch – ein penibler Mönch, der ein Gelübde von Ordentlichkeit und Putzfleiß abgelegt hat.«
»Das bedeutet doch nicht, dass man deswegen kein Prim ist.«
»Doch, tut es. Es deutet auf eine zwanghaft-obsessive
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