ANGRIFF - Fantastischer Thriller (German Edition)
üblichen Gegenargumente standen vor seinem inneren Auge – es geht dich nichts an, sie ist ein großes Mädchen, eine erwachsene Frau, du bist nicht ihr Vater, nicht einmal ihr Onkel, und selbst wenn du das wärest, hat sie das Recht, sich selbst ihre Liebhaber und ihre Wertvorstellungen auszusuchen – und er verwarf sie alle sofort wieder.
Das war alles richtig, aber seine Gefühle für Lisl gingen vor. Sie steuerte auf eine Katastrophe zu – Bill wusste das so genau wie er seinen eigenen Namen kannte –, und er wollte sie davor bewahren. Denn von diesem Desaster würde sie sich vielleicht nicht wieder erholen. Und wenn es Bill nicht gelang, die einzige Freundin zu retten, die er auf dieser Welt hatte, dann würde er das vielleicht auch nicht verkraften.
Als der Maserati um die Ecke bog und vor Bills Kühler entlangfuhr, erkannte er Lisl auf dem Beifahrersitz. Er fluchte enttäuscht auf und warf Rafe noch einen letzten bösen Blick zu.
Ein wortloser Schrei entrang sich ihm, als die Straße unter seinem Wagen wegzukippen schien. So aus der Nähe, in dem seltsamen Quecksilberlicht, in dem alles wie aus Wachs wirkte, schien Rafes Schnurrbart zu verschwinden, und sein Gesicht … es sah aus … genau wie …
Sara!
Und dann war er vorbei, weg, außer Sicht, sein Wagen nur noch ein verschwindender roter Farbklecks. Aber das Bild blieb und stand weiter vor Bills Augen.
Sara!
Warum hatte er das nicht schon früher bemerkt? Die Ähnlichkeit war unverkennbar. Er könnte ihr Bruder sein!
Was, wenn er ihr Bruder war?
Doch wie könnte das sein? Und was tat er dann hier? Was für einen Grund könnte er haben …?
Lisl! Wollte er Lisl das antun, was seine Schwester Danny angetan hatte?
Das Tröten einer Hupe hinter sich erschreckte Bill und er sah auf. Die Ampel war grün. Seine schweißnassen Hände konnten kaum das Lenkrad halten, als er den Wagen an den Straßenrand lenkte und den Motor abstellte. Er saß schwitzend und zitternd da und versuchte sich zusammenzureißen, während ihm Gedanken wild durch den Kopf schossen.
Halt. Stopp. Das ist Wahnsinn!
Rafe hatte für einen Augenblick wie Sara ausgesehen. Na und? Das war erschreckend, aber er war nicht Sara, und die Chancen, dass jemand, der mit Sara verwandt war, als Doktorand an der Universität auftauchte, an der Bill unter falschem Namen arbeitete, waren astronomisch gering.
Und trotzdem …
Bill wurde das Gefühl nicht los, dass sich für einen Augenblick ein Schleier gehoben und ihm eine Aussicht auf ein tödliches Geheimnis offenbart hatte. Er konnte das nicht ignorieren. Er musste dem nachgehen. Sofort. Aber das konnte er nicht selbst tun. Er durfte nirgendwo in Erscheinung treten. Er brauchte Hilfe. Doch wer? Wie? Er suchte nach einer Möglichkeit, einem Namen. Es gab da jemanden: Nick.
Er machte sich auf den Heimweg und durchforstete unterwegs sein Gedächtnis nach jedem Detail, das Lisl ihm über Rafe Losmara erzählt hatte. Als er seinen Computer anschaltete, hatte er alles vorsortiert. Er hatte es nicht gewagt, den Computer direkt an die Telefonleitung anzuschließen, deswegen hatte er ein Modem dazwischengeschaltet.
Er wählte sich in das Nazzamatazz-Nachrichtenboard ein und rief das Fenster auf, um eine Nachricht zu verfassen. Als sich das Pop-up öffnete, begann er zu tippen.
AN EL COMEDO
BRAUCHE INFORMATIONEN ÜBER EINEN RAFE LOSMARA …
Er gab so viele Informationen an, wie er hatte. Rafes Schule, das Jahr seines Abschlusses, alles, was er von Lisls glühenden Lobreden auf ihn noch wusste, aber er vermied geflissentlich jede Information über Rafes augenblickliche Lebensumstände und seinen Aufenthaltsort.
Bill schloss die Nachricht mit einem vorsichtigen Hinweis, von dem er hoffte, dass er Nick anspornen würde, so gründlich und tiefgreifend wie nur möglich zu forschen.
… ÜBERPRÜF BITTE JEDE MÖGLICHE VERBINDUNG ZU DER VERSCHWUNDENEN GEHEIMNIS- VOLLEN FRAU, NACH DER WIR SUCHTEN, ALS WIR UNS DAS LETZTE MAL TRAFEN. FRAG UNSEREN HUMORLOSEN FREUND.
VIELLEICHT KANN ER HELFEN. BITTE BEEILEN! DRINGEND!!!!!!!
IGNATIUS
Bill loggte sich aus und lehnte sich zurück. Er musste ja nicht alles Nick überlassen. In seiner Mittagspause morgen konnte er versuchen, in der Universitätsbibliothek ein Exemplar des Jahrbuchs der Arizona State Universität vom letzten Jahr zu bekommen.
Wahrscheinlich führte das alles zu nichts. Rafe und Sara konnten einfach nicht miteinander verwandt sein. Nur eine zufällige Kombination aus Licht und Schatten,
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