Angst
bemerkte, dass Gloria dem Rektor die Hand hielt. Außerdem entdeckte er Milton Bean vom Maestro Daily Telegraph.
Niemand verhielt sich auffällig. Dix fühlte sich allerdings hirntot. Er war es leid, jeden als möglichen Verdächtigen sehen zu müssen. Und obwohl er Erins Hinscheiden betrauerte, hatte er es langsam satt, derartig überschwengliche Lobreden auf sie zu hören, die weit darüber hinausgingen, was ein menschliches Wesen im Alter von zweiundzwanzig Jahren tatsächlich verdienen konnte.
Er dachte an Helen, deren Leiche vom Untersuchungsrichter freigegeben worden war, und deren Bruder sich schlussendlich dazu bereit erklärt hatte, dass in der darauffolgenden Woche ein Gedenkgottesdienst für sie hier abgehalten werden sollte. Außerdem schweiften seine Gedan-ken zu Walt, der anscheinend für einen formellen Gedenkgottesdienst nicht wichtig genug gewesen war und der nun auf dem zweihundert Jahre alten, hiesigen Friedhof auf dem Coyote Hill begraben lag. Dix war überrascht gewesen, dass doch eine kleine Ansammlung von Menschen aus der Stadt, seine echten Freunde, bei der Beerdigung zu sehen waren. Walt hätte sich über ihr Kommen gefreut.
Nach Erins Gedenkgottesdienst fuhren der Sheriff und Ruth zu einem Blumengeschäft namens Leigh Ann’s für jeden Anlass, und Dix kaufte einen Strauß Nelken. Danach ging es zum Coyote Hill, und zusammen spazierten die zwei zu Walt McGuffeys Grab, einem kleinen Hügel aufgehäufter frischer Erde. Dix kniete sich hin und legte die Nelken an das Grabende. »Ich habe einen Stein für ihn bestellt, in den noch die Inschrift eingraviert werden muss. Er sollte jedoch nächste Woche hier sein.«
»Ich wäre gestern mit Ihnen zur Beerdigung gekommen, wenn Sie nur ein Wort darüber verloren hätten.«
»Sie hatten gerade mit Washington telefoniert, und ich wollte Sie nicht stören. Sie sind müde, Ruth, das sind wir beide. Und Sie haben eine ganze Menge durchgemacht. Wir sollten jetzt los, es ist kalt hier draußen. Ich möchte nicht, dass Sie sich erkälten. Eigentlich sollten wir schon längst zu Hause sein.«
Sie nickte, und es traf sie wie der Blitz, dass er es ein Zu hause genannt hatte - für sie beide. Es war seltsam und ein wenig angsteinflößend, und trotzdem fühlte es sich sehr gut an. Ruth lebte nun seit einer Woche bei ihm und seinen Söhnen, und jeden Tag kam ihr dieses Arrangement natürlicher vor. Dix war ein anständiger Mann, und er sorgte sich um andere - vor allem um seine Söhne, um seine Stadt und darum, das Richtige zu tun. Wie sein hochgewachsener, durchtrainierter Körper in diesen engen Hüftjeans aussah, darüber wollte sie erst gar nicht nachdenken.
Ruth wollte mit ihm über Christie reden, wusste jedoch, dass jetzt nicht der richtige Augenblick war. Noch nicht. Sie mochte ihn erst seit Kurzem kennen, doch tief in ihrem Innersten wusste sie: Wenn Christie ihr auch nur im Geringsten ähnelte, hätte sie ihn und die Jungen niemals verlassen. Jedenfalls nicht freiwillig. Christie Noble musste etwas sehr Schlimmes zugestoßen sein, und jeder wusste es.
Als sie zurück zum Range Rover gingen, spürte Dix, dass Ruth ihn beobachtete, doch er konnte ihre Augen hinter den dunklen Gläsern ihrer Sonnenbrille nicht erkennen. Sie kuschelte sich in ihrer bauschigen schwarzen Lederjacke und dem lilafarbenen Wollschal um den Hals auf den Beifahrersitz und zog die farblich passende Wollmütze fast bis über die Ohren. Dix bemerkte, dass sie ihre eigenen Strümpfe trug, nicht die warmen Socken, die Rafe ihr geliehen hatte. Er drehte die Heizung auf.
KAPITEL 30
Sie kamen kurz vor sechs zu Hause an. Gerade als Dix die Haustür aufsperrte, klingelte Ruths Handy. Sie drehte sich zur Seite und nahm den Anruf entgegen. Nach einigen Minuten klappte sie das Telefon wieder zu. »Das war Sherlock. Die Dinge kommen langsam ins Rollen. Sie und Dillon bleiben in Washington, es sei denn - und das hat sie versprochen -, wir brauchten sie aus irgendeinem Grund hier. Ich habe ihr gesagt, dass bei uns alles in Ordnung ist.«
Da der Hund wie wild an der Eingangstür kratzte, beeilte sich Dix. »Brewster, noch einen Augenblick! Vergessen Sie nicht, Ruth: Wenn er auf sie zuspringt, halten Sie sich ihn bloß vom Leib!«
»Aber Brewster wird doch nicht die Person anpinkeln, die ihn gestern Abend unter dem Küchentisch mit einem Hotdog gefüttert hat.«
Als Dix die Haustür öffnete, schnappte sich Ruth Brewster, bevor er ihr das Bein hochklettern konnte. Sie hielt ihn eng an
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