Angst
diesem Moment in seiner friedvollen Stadt geschah. Und er dachte an Christie. Nie zuvor hatte er wie heute von ihr gesprochen. Irgendwie fühlte er sich getröstet, ein wenig von dem betäubenden Schmerz befreit und dem Leben gegenüber wieder ein bisschen offener. Noch immer hatte er Christies Foto auf seinem Schreibtisch in der Arbeit stehen, das nur einen Monat vor ihrem Verschwinden aufgenommen worden war. Er sah sie jeden Tag an, und jeden Tag fragte er sich, was ihr zugestoßen sein mochte.
KAPITEL 16
Maestro, Virginia Dienstagmorgen
Es war zehn Uhr dreißig am Dienstagvormittag, als die vier sich zu einem späten Frühstück in Maurie’s Diner an der Main Street trafen. Savich nahm einen Schluck von seinem Tee, dann setzte er die Tasse ab. »MAX hat natürlich Fälle von Erstechen und Vergasen gefunden, sogar Einbalsamierungen, ausgeführt von einer Vielzahl von Psychopathen, aber noch nie kam alles zusammen, zumindest wissen wir nichts davon. Ich mache diese Einschränkung, da wir Erin Bushnell ohne Ruth niemals gefunden hätten.«
»Sie klingen kein bisschen überrascht«, stellte Dix fest, während er sich Butter auf seinen Weizentoast strich.
Savich schüttelte den Kopf. »Ich habe gelernt, dass die Killer unter uns eine grenzenlose Fantasie besitzen.«
Ruth legte ihre Gabel beiseite und stützte das Kinn auf ihre ineinander verschlungenen Finger. »Und das ist genau der Punkt. Es ist seine ganz persönliche Handschrift, seine Weise, etwas Einzigartiges zu machen, ein eigenes Werk zu schaffen.«
»Da stimme ich dir zu, Ruth«, pflichtete ihr Savich bei. »Normalerweise gibt es eine Art Drehbuch, dem der Mörder bis ins kleinste Detail folgen muss, wenn er sein Werk als Erfolg betrachten möchte. Er wollte nicht, dass seine Ar-beit entdeckt wird. Darum geht es ihm also nicht. Es geht um die Handlung an sich - das allein ist ihm wichtig.«
»Noch etwas Tee, Agent?«
Savich lächelte zu Glenna, der Kellnerin, hoch. »Ja, vielen Dank.« Nachdem sie wieder gegangen war, wobei sie ihm noch mehrmals Blicke über die Schulter zugeworfen hatte, fragte Savich den Sheriff: »Haben Sie sich heute Morgen mit den technischen Assistenten im Leichenschauhaus getroffen?«
»Ja. Ich habe ihnen mit allem gedroht, was mir eingefallen ist.« Er zuckte die Schultern. »Jeder von ihnen hat mir sein Versprechen gegeben, aber was sagt das schon? Und keiner meiner Deputys weiß etwas davon. Nur wir vier, Dr. Himple und die drei technischen Assistenten. Außerdem habe ich Dr. Crocker im Louden Country Community Hospital angerufen.« Dix’ Handy klingelte. Er zog es aus seiner Tasche. »Hier spricht Sheriff Noble.«
Seine Miene erhellte sich beim Zuhören, um sich im nächsten Moment zu verdunkeln. Er ballte die Hand auf der Tischplatte zur Faust und wirkte sehr verärgert. »Ist das Ihre Vorstellung von einer guten Nachricht und einer schlechten Nachricht, Emory?« Er lauschte noch eine ganze Weile, und die drei FBI-Agenten spürten, dass der Deputy am anderen Ende der Leitung versuchte, seinen Boss zu besänftigen. Dix sah aus, als würde er gleich explodieren, als er sein Handy zuklappte.
»Nun?«, wollte Ruth wissen.
»Meine Deputys haben Ihren BMW in dem Schuppen hinter Walt McGuffeys Haus gefunden, Ruth. Erinnern Sie sich an das Haus, an dem wir auf dem Weg zum Lone Tree Hill vorbeigekommen sind? Als ich sagte, dass der Schnee dort völlig unberührt schien, und meine Leute angerufen habe, damit sie nach Walt sehen?« Er hielt kurz inne, und auf seinem Gesicht spiegelte sich ein Ausdruck von solch hilfloser Wut wider, dass Ruth dem Sheriff die Hand auf den Arm legte.
»Was ist passiert, Dix? Was sind die schlechten Neuigkeiten?«
»Sie haben erst heute Morgen bei ihm vorbeigeschaut. Walt war tot, vermutlich schon seit Freitag. Ermordet, höchstwahrscheinlich von demselben Monster, das Erin umgebracht hat und Sie töten wollte. Ihr BMW wurde in dem Schuppen versteckt.«
»Wie ist Mr McGuffey ermordet worden, Sheriff?«
Beim Klang von Savichs Stimme gewann Dix seine Fassung zurück. »Erstochen, mitten ins Herz, mit einem seiner eigenen Küchenmesser.«
»Walt war nicht Teil seines Rituals«, konstatierte Sherlock. »Es war notwendig, nichts weiter. Vielleicht hat der alte Mann etwas gesehen, das er nicht hätte mitbekommen sollen.«
Dix nickte. »Womöglich musste der Mörder Ruths Wagen auf die Schnelle verstecken und hat Walt umgebracht, weil er im Weg war. Vielleicht finden wir ja etwas im Auto.«
Dix
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