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Angst auf der Autobahn

Angst auf der Autobahn

Titel: Angst auf der Autobahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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von Karls Eltern
eingeladen. Oder von Willis Eltern. Das funktioniert wie immer. Wir bringen
also unsere Zahnbürsten mit und werden hier — mit Ihrem Einverständnis — auf
Couch oder Teppich übernachten. Karl kommt natürlich auch.“
    Margot zeigte ein kleines
Lächeln.
    Gabys Vergißmeinnicht-Augen
leuchteten blank. Sie pustete gegen ihren sommerkurzen Pony. Offensichtlich
fand sie den Vorschlag himmlisch.
    „Ich glaube, das ist die beste
Lösung“, nickte Margot.
    Tim unterdrückte ein
Kriegsgeheul, was nicht zur Situation und auch nicht zu seiner Würde als
frühreifer Teen gepaßt hätte.

8. Der Brunnen vom Einöd-Hof
     
    Sie tippelten schon lange. Jörg
schmerzten die Füße. Er hatte Hunger und Durst, sagte das auch, erhielt aber
als Antwort nur böse Blicke. Das nahm ihm den Mut. Der Neunjährige schwieg und
lief weiter einher neben dem Mann, der sich Hartmut Loddner nannte, den er bei
Begegnung mit anderen Leuten ,Papi’ nennen sollte und der ihm immer
unheimlicher wurde. Denn die anfängliche Freundlichkeit dieses Kerls war
abgelöst worden von rauher Strenge.
    Außerdem hat er meinen Vater
bestohlen, dachte Jörg. Er hat seinen Anzug und die Pistole. Loddner ist
wahrscheinlich ein Schwerverbrecher. Aber er läßt mich nicht aus den Augen. Was
soll ich nur machen?
    Wenigstens die Marschrichtung
stimmte. Sie führte zur Autobahn. Und damit zur Stadt hin. Das beruhigte Jörg
etwas.
    Sie gingen quer durch die
Landschaft. Loddner, alias Karsten Willert, wollte offensichtlich niemandem
begegnen.
    Sobald Stimmen zu hören waren,
schlug er einen Bogen. Landstraßen wurden rasch überquert. Willert-Loddner
benahm sich wie einer, der auf der Flucht ist — aber nicht auf der Flucht vor
dem Bösen, sondern wie das schlechte Gewissen persönlich.
    Wo bleibt nur mein Vater?
überlegte Jörg und humpelte, weil er sich bereits eine Blase an der linken
Ferse gelaufen hatte. Sucht er mich? Oder läßt er mich suchen? Sicherlich
beides. Er ist ja der 2. Bürgermeister — und das kommt gleich nach dem 1, nach
dem OB.
    Dann, während der nächsten
halben Stunde, geschah zweierlei, das sich als folgenschwer erweisen würde für
Jörg.
    Sie waren durch einen dichten
Wald gelaufen und kamen jetzt an eine Lichtung. Sie war so groß wie ein
Fußballfeld. Gräser wuchsen brusthoch. Sträucher breiteten sich aus; und das
Licht der sinkenden Sonne beschien die Ruinen alter, zerfallener Gebäude.
    „Heh!“ meinte Willert-Loddner
und blieb stehen. „Was ist das?“
    Jörg hätte es ihm sagen können,
durfte es aber nicht wissen, da er angeblich nicht aus dieser Gegend war.
    „War wohl mal ein Bauernhof“,
dachte Willert-Loddner laut. „Ein Einöd-Hof. Jetzt ist er verlassen, und durch
leere Fenster pfeift der Wind.“
    „Ich finde, es ist völlig
windstill“, sagte Jörg.
    „Ja, jetzt! Aber doch nicht
immer. Nachts und in der kalten Jahreszeit ist es hier sicherlich schaurig.“
    „Wahrscheinlich hatte der
letzte Bauer keinen Nachwuchs. Oder der Sohn hatte null Bock auf diesen
schweren Job.“
    „Bist ein schlaues Kerlchen.“
    „Sowas kann man erraten.
Außerdem habe ich in der Schule gelernt, daß manche Jungbauern lieber mit dem
Computer arbeiten als auf der Scholle.“
    „Hmmm“, knurrte Willert.
    Er äugte nach allen Seiten.
Keine Menschenseele zeigte sich.

    Sie gingen zu den Ruinen, zu
Haupthaus, Scheune, Stallungen. Alles verfiel. Zäune moderten. Der Einöd-Hof
war vor 15 Jahren aufgegeben worden. Ein Käufer hatte sich nicht gefunden für
dieses entlegene Fleckchen Erde.
    Willert blickte durchs
zerbrochene Fenster in einen Raum. Unrat lag auf den Dielen. Offenbar
nächtigten hier gelegentlich Landstreicher. An einer rostigen Türklinke hing
ein aufgerolltes Seil. Es sah neu aus. Irgendwer hatte es vergessen. Es maß
sicherlich 20 Meter oder mehr.
    Mitnehmen? überlegte er. Aber
dann sagte er sich, daß er dafür keine Verwendung hatte.
    Jörg, der inzwischen sehr müde
war, hatte etwas entdeckt, das ihn innerlich wieder erfrischte.
    „Sieh nur, Hartmut“, rief er.
„Das war mal ein Brunnen.“
    Der Rand befand sich in
Hüfthöhe und war abgedeckt mit morschen Brettern. Es war ein Ziehbrunnen
gewesen mit Schöpfeimer — sicherlich nur zur Versorgung des Viehs. Die
gemauerte Umrandung war noch in gutem Zustand.
    Willert schob einige der
Bretter beiseite und blickte in den Schacht.
    Auch Jörg beugte sich über den
Rand.
    „Huiiih! Der ist ja mindestens
zehn Meter tief, Hartmut.“
    „Eher 15. Oder

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