Angst ist dein Tod - Ephron, H: Angst ist dein Tod - Come and Find Me
worden? Und wie war es zu erklären, dass immer derselbe verdammte Vogel draußen auf dem Zaun hockte, wenn sie durch die vordere Kamera hinaussah?
Diana zitterte. Ihr fiel dazu nur ein, dass man sich an ihrer Alarmanlage zu schaffen gemacht hatte, den elektronischen Sicherheitszaun außer Kraft gesetzt und die Livebilder der Kamera durch ein bedeutungsloses Endlosband ersetzt hatte, das immer wieder durchlief. Ging ihre Paranoia schon so weit?
Das Avatar-Outfit lag zusammengeknüllt auf einem Haufen auf dem Boden neben dem Schreibtisch. Sie streckte den Arm aus und zog sich die Lederjacke heran. Der Geruch von Ashleys Lakritz stieg ihr in die Nase.
Ihr Zuhause war nicht mehr sicher. Auch ihre von üblen Gestalten verseuchte virtuelle Welt war es nicht mehr. Wo sollte sie hin? Und wie, verdammt, sollte sie den Mut aufbringen, dorthin zu gehen?
Sie legte sich die Lederjacke um die Schulter und stellte den Kragen so auf, dass er ihr Gesicht umrahmte. So trug sie Nadia immer. Sie zog die Sonnenbrille aus der Tasche und setzte sie auf. Die getönten Gläser verliehen dem Raum eine neue Klarheit und Tiefe. Ihr Magen beruhigte sich, und ihre Hände hörten auf zu zittern, so als hätte sich etwas von Nadias Mut auf sie übertragen.
Sie krabbelte unter dem Schreibtisch hervor, stand auf und hängte die Jacke über eine Stuhllehne. Dann schlich sie ins Wohnzimmer, zog die Jalousie hoch und sah zum Fenster hinaus. Der schwarze Wagen war weg. Die Straße lag ruhig da. Sie kontrollierte die Überwachungsanlage. Die Anzeige signalisierte leuchtend: Aktiviert . Eine Lüge.
Sie ging wieder in ihr Arbeitszimmer. Dort wartete Nadia auf sie, auf dem Bildschirm von OtherWorld , genau an der Stelle, wo Diana sie in der Nachbildung ihres Arbeitszimmers zurückgelassen hatte.
Ein Glockenton erklang, dann noch einmal – zwei neue Nachrichten.
PWNED: Bist du da? Musst du sehen. 1293, 4681
GROB: Hallo. Hast du kurz Zeit? 1655, 196
Sie war nicht allein, rief sie sich ins Gedächtnis. Sie hatte Freunde, Freunde in OtherWorld mit Alter Egos in der realen Welt. Diana bewegte den Cursor. PWNED oder GROB ? Mit GROB empfand sie eine gewisse Verbundenheit, als würde sie ihn schon länger kennen, als es tatsächlich der Fall war. PWNED aber war eine der ersten Freundschaften gewesen, die Diana in OtherWorld geschlossen hatte, und diese Beziehung war vollkommen unbelastet.
Diana teleportierte Nadia zu den Koordinaten, die PWNED ihr geschickt hatte. Auf dem Bildschirm baute sich eine Wiese auf, und im Hintergrund entstand eine surreale Landschaft aus gläsernen Objekten. Sie öffnete eine Landkarte. Unweit, ein Stück weiter nach Westen, erkannte sie eine Ansammlung gelber Punkte – alles Avatare.
Dort steuerte sie Nadia hin, durch eine Zypressenallee, an einer Steinmauer entlang und weiter auf ein mächtiges Steintor zu. Sie führte Nadia durch das Tor hindurch und betrat ein Amphitheater, das aussah, als sei es in einem Stück aus einem Berghang herausgehauen worden. Sie stieg die Stufen bis an den obersten Rand hinauf.
PWNED erwartete sie bereits. Ein großer, schlanker Avatar mit schwarzen, oberschenkelhohen Stiefeln, einem superkurzen Minirock und bauchfreiem Top. Aus dem Bauchnabel blinkte ihr ein Diamant entgegen. Das platinblonde Haar trug sie über einem Ohr zu einer Schnecke zusammengebunden.
Über PWNED s Kopf tauchte eine Sprechblase auf. »Ich wollte, dass du dir das ansiehst. Es ist schließlich auch dein Werk.« Ihre Stimme war weich und mit einem rauchigen Timbre unterlegt.
Ein Banner über der Bühne trug den Schriftzug Schlagt zurück! Lügen töten! Auf der Bühne stand ein Redner, der vor einer Gruppe von Avataren sprach, die sich um ihn herum geschart hatte.
»Ist das nicht wunderbar? Und das ist erst der Anfang. Als Nächstes …«
Diana unterbrach sie. »Ich brauche Hilfe. Kann ich … Ich brauche eine Unterkunft. Ich erkläre es dir später, aber ich muss an einen sicheren Ort. Jetzt sofort.« Sie schluckte mühsam.
»Hilfe aus der realen Welt?«
»Aus der realsten Welt, die du dir vorstellen kannst. Wohnst du in der Nähe von Boston?«
»Mittendrin. Kannst du fahren?«
Erst jetzt bemerkte Diana, dass sie den Autoschlüssel noch in der Hand hielt. »Ich werde fahren müssen.«
PWNED stellte keine weiteren Fragen. Sie gab ihre Adresse ein und bot an, Diana per Telefon dorthin zu lotsen.
Nachdem Diana Nadia nach Hause teleportiert hatte, saß sie schweißgebadet und völlig außer Atem da. Nadia
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