Angst ist dein Tod - Ephron, H: Angst ist dein Tod - Come and Find Me
wenig später erneut zu erwachen, diesmal von einem Kletterunfall-Albtraum, von dem sie seit Monaten nicht mehr behelligt worden war.
Am nächsten Morgen fühlte sie sich wie gerädert und noch erschöpfter als am Abend, bevor sie zu Bett gegangen war. Bevor Ashley sich auf den Weg zur Arbeit machte, bestand sie darauf, dass Diana ihr Navigationsgerät nahm und die Koordinaten ihres Ziels eingab. Zum Abschied bemerkte sie noch: »Ich kann mich einfach nicht an deine Frisur gewöhnen«, und: »Ruf mich an! Wenn ich bis fünf nichts von dir gehört habe, rufe ich die Polizei …«
»Bis acht«, setzte Diana nach.
»Sechs«, verkündete Ashley. »Keine Minute länger. Und wenn sich die Polizei nicht sofort darum kümmert, komme ich selbst und hol dich da raus.«
»Sie haben Ihr Ziel erreicht«, tönte die monotone weibliche Stimme aus Ashleys Navigationsgerät. Das Display zeigte 11:50 Uhr an. Sie war zehn Minuten zu früh. Die Fahrt war ohne Zwischenfälle verlaufen, denn der Berufsverkehr hatte sich im Laufe des frühen Vormittags aufgelöst. Der wolkenlose Himmel hatte sich dafür inzwischen etwas zugezogen.
Willkommen in Mill Village grüßte ein Schild freundlich. Diana musste am Ende einer Autoschlange anhalten, die sich vor der einzigen Ampel im Ort staute. Die breite Windschutzscheibe ihres Hummer begrenzte den Blick auf die Umgebung wie ein Bilderrahmen. Der Park, der von den Fassaden der kleinen Läden gesäumt wurde. Der Konzertpavillon. Das Zentrum von Mill Village war das Ebenbild des Parks in OtherWorld , in den GROB sie geführt hatte, nachdem sie am Strand angegriffen worden waren.
Sie warf einen Blick in den Rück- und in den Seitenspiegel. GROB musste hier irgendwo sein. Vielleicht saß er in einem der geparkten Wagen, war in einem der Läden entlang der Straße oder machte einen Spaziergang im Park. War er wie sein Avatar gekleidet, so wie sie auch?
Ein älteres Ehepaar kam vorbei, sie mit sommerlichem Strohhut und weißem Mantel, er in einer gestärkten hellbraunen Hose mit Anorak. Vor Tweets, einer Zoohandlung, blieben sie stehen und betrachteten einen mannshohen Vogelkäfig, in dem ein hellgrüner Papagei hin und her hüpfte. Beide hatten Regenschirme in der Hand, und Diana musste lächeln, als sie sich bei dem Gedanken ertappte, dass der Vogel sie ebenfalls beobachtete: ein Zugvogelpaar, das zu früh nach Neuengland zurückgekehrt war.
Ein Mann kam über den Bürgersteig auf sie zu. Er hatte sich seine Strickmütze tief in die Stirn gezogen und das Gesicht in einen karierten Schal gehüllt. GROB ? Diana umfasste das Lenkrad, ihr Herz begann zu rasen. Sie duckte sich, als er vorbeieilte, ohne den Hummer auch nur eines Blickes zu würdigen. Völlig außer Atem sah sie, wie er in einer Imbissstube verschwand.
Diana beugte sich vor und fächelte sich Luft unter das T-Shirt, das an ihrem verschwitzten Rücken klebte. Sie schluckte mühsam. Bevor sie Ashleys Wohnung verlassen hatte, hatte sie eine Tablette genommen. Sie wagte gar nicht, sich vorzustellen, wie sie sich fühlen würde, wenn sie sie nicht genommen hätte.
Hinter ihr hupte ein Auto. Die Ampel war umgesprungen.
Auf der Suche nach einer Parkmöglichkeit fuhr Diana langsam weiter. Schließlich bog sie auf den Parkplatz eines Motels ein. Das schwarze Schild mit dem Schriftzug Ritz in fetten weißen, von Neonröhren umrandeten Buchstaben hieß Ankömmlinge auf dem leeren Parkplatz willkommen. Der Besitzer musste einen ausgeprägten Sinn für Ironie gehabt haben, denn es ähnelte eher dem Motel eines Norman Bates als einem Ritz-Carlton. Es fehlte nur noch das Stakkato der Violinen aus der legendären Duschszene.
»Wenn möglich, bitte wenden.« Es dauerte einen Moment, bis Diana begriffen hatte, dass sich das Navigationsgerät zu Wort gemeldet hatte, um zu verkünden, dass sie an ihrem Ziel vorbeigefahren und es jetzt 11:58 Uhr war.
Sie schaltete das Gerät ab und steckte es in die Jackentasche. Dann wartete sie, bis die Straße frei war, fuhr den Weg zurück, den sie gekommen war, und fand eine Parklücke direkt vor dem Imbiss. The Sunny Side Up stand in gelben Lettern quer über die Schaufensterscheibe geschrieben. Noch während sie las, entfernten unsichtbare Hände eine Tafel mit dem Hinweis » gr. Frühstück $3,99« aus dem Fenster und ersetzten es durch eine Tafel » Hackbratenplatte $6,99 «.
Was jetzt? Sie war hier, aber wo war GROB ? Hinter den verdunkelten Scheiben des Hummer würde er sie nie finden. Sie öffnete das
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