Angst - Kilborn, J: Angst - Afraid
sein.«
Mrs. Montagues Augen waren weit aufgerissen und starrten fassungslos ins Leere. Ihr Kinn bebte, und sie fing an, den Kopf zu schütteln.
Jessie Lee wusste nicht, was sie tun sollte. Mrs. Montague würde Taylor auf sie aufmerksam machen, und wenn er sie erst einmal gefunden hatte, würde er ihnen beiden ein Ende bereiten. Sie betete, dass ihre ehemalige Lehrerin ruhig blieb und sich nicht bewegte.
»… Hilfe …«
Die Schritte hörten kurz vor den Leichen auf. Jessie Lee konnte zwischen den Gliedmaßen Beine erkennen.
»… Bitte …«
Sie schloss die Augen und legte eine Hand auf Mrs. Montagues Mund. Als sich die Lehrerin dagegen wehrte, drückte Jessie Lee fester zu.
Sie soll endlich Ruhe geben, dachte Jessie Lee. Sie muss den Mund halten, oder wir werden beide sterben. Bitte halten Sie endlich den Mund, Mrs. Montague.
Mrs. Montague stöhnte. Jessie Lee legte daraufhin ihre Hand so auf ihr Gesicht, dass sie auch die Nase der Lehrerin bedeckte.
Bitte geben Sie Ruhe … Bitte geben Sie Ruhe, bitte geben Sie Ruhe …
Jedes Geräusch wirkte im Duschraum dreimal so laut. Jessie Lee hielt zusammen mit Mrs. Montague den Atem an und hoffte, dass sich die Schritte bald wieder entfernen würden.
Aber das taten sie nicht.
Noch ein bisschen, nur noch ein bisschen, nur …
Jessie Lee zitterte vor Anstrengung, nicht zu atmen. Pünktchen traten ihr vor die Augen.
Dann hörte sie wieder Schritte. Diesmal bewegten sie sich aus dem Duschraum hinaus zurück in die Umkleide.
Jessie Lee atmete tief ein und nahm dann die Hand von Mrs. Montagues Mund und Nase.
Die Augen ihrer Lehrerin starrten sie leblos an.
Ich … Ich habe sie umgebracht.
Jessie Lee redete sich ein, keine andere Wahl gehabt zu haben. Schließlich wären sie beide gestorben, wenn man sie gefunden hätte. Außerdem war Mrs. Montague bereits so gut wie tot gewesen.
Oder?
Ein Schluchzen brach aus Jessie Lee hervor. Ein langes, hartes Schluchzen, das immer lauter wurde, bis es sich zu einem Schrei entwickelt hatte.
Sie wollte nicht mehr aufhören. Auch nicht, als die Schritte zurückkehrten. Wie sich herausstellte, gehörten sie nicht zu Taylor.
»Hallo, Miss.«
»Oh, bitte … Bitte helfen Sie mir …«
Jessie Lee streckte über den Wall der Toten hinweg ihre Hand nach der Stimme aus.
Eine Hand erschien - mit einem Elektroschocker darin.
Josh trat aufs Gaspedal, und der Roadmaster schoss mit achtzig Kilometern pro Stunde durch die Landschaft. Schneller traute er sich auf der County Road JJ nicht - der einzigen
Straße, die aus Safe Haven hinausführte. Wie viele Straßen im nördlichen Wisconsin führte auch sie durch dichten Wald, schlängelte sich über unzählige Hügel und wies etliche unübersichtliche Kurven auf. Rotwild sprang in regelmäßigen Abständen auf die Fahrbahn, und wenn man gegen ein Reh oder einen Hirschen fuhr, der mehr als hundertfünfzig Kilo wog, konnte es nicht nur für den Hirsch gefährlich werden.
Josh riskierte einen Blick zur Seite. Duncan und Fran saßen auf der Bank neben ihm. Fran trug eine Jeans und einen Pullover - beides war viel zu groß für sie - und hatte ihr dickes blondes Haar mit einem roten Band nach hinten gebunden. Duncans Kleidung passte ihm besser - Jeans und T-Shirt von einem Jungen seines Alters. Die Kleidung hatten sie sich von einem Nachbarn geliehen. Sie waren zwar nicht zu Hause gewesen, aber Fran passte auf das Haus auf, wenn sie in den Urlaub fuhren und wusste daher, dass sie stets einen Schlüssel unter der Fußmatte aufbewahrten. Sie war sich sicher, dass die Nachbarn es ihr nicht übelnehmen würden.
Ehe sie sich umzogen, hatte Josh rasch Duncans Beinwunde versorgt. Das Stück Schrot hatte ihn nur angekratzt und einen blutenden Striemen hinterlassen. Josh glaubte nicht, dass weiteres Schrot im Bein steckte, aber mit einer Röntgenaufnahme würde man auf der sicheren Seite sein.
Frans Wunden zu versorgen, war nicht ganz so einfach, besonders ohne Narkosemittel. Dieser Psychopath Taylor hatte einen ihrer Zehen abgebissen und von einem weiteren den Großteil der Haut abgenagt. Josh hatte die Wunden gesäubert, sie mit Verbandsmull umwickelt und Fran geraten, keine Schuhe zu tragen. Um ihm nicht völlig zu widersprechen, hatte sie als Kompromiss Sandalen angezogen.
Josh versuchte es erneut mit seinem Handy. Aber er hatte noch immer keinen Empfang. Es würde bestimmt nicht mehr
lange dauern, bis es wieder funktionierte. Sie hatten es auch mit dem Telefon der Nachbarn
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