Angst sei dein Begleiter: Thriller (German Edition)
Es ist jetzt Viertel nach elf. Bis du heimkommst, liege ich vermutlich längst wieder im Bett und schlafe.«
Minuten später saß sie im Wagen und fuhr in Richtung Blakely Dollhouse. In den letzten Tagen war es mehrere Male vorgekommen, dass sie Tyler angerufen und nur die Mailbox erreicht hatte. Gewöhnlich hieß das, dass er in einer Konferenz saß oder aber, dass etwas Schlimmes passiert war.
Himmel, sie konnte nur hoffen, dass es kein weiteres Opfer gegeben hatte. Alle schienen mit angehaltenem Atem auf den Fund einer weiteren »Puppe« zu warten und verzweifelt zu hoffen, dass es nicht dazu kam. Sie wusste, dass dies einer der wenigen Umstände wäre, die Tyler zwangen, sein Handy auf die Mailbox zu schalten.
Sie kurbelte das Seitenfenster herab und ließ die kühle Nachtluft ins Wageninnere. Die Nacht war wunderschön. Der Himmel war klar, die Sterne standen so tief, dass sie glaubte, nur die Hand ausstrecken zu müssen, um einen von ihnen greifen zu können.
Es tut mir leid, dass du niemanden hattest, der dich in deinen Träumen bestätigt und gefördert hat. Sie dachte an Tylers Worte und umfasste das Lenkrad ein wenig fester.
Nein, sie hatte niemanden gehabt, der sie in ihren Träumen bestätigte, der sie ermutigte, ihren eigenen Weg zu gehen. Sie hatte zugelassen, dass Lillian jeden Aspekt ihres Lebens kontrollierte, jeden Weg plante, den sie einschlagen wollte. Selbst über den Tod hinaus hatte Lillian sie fest im Griff.
Als Lillian starb, hätte Annalise das Unternehmen verkaufen und auf die Weiterführung des Geschäfts verzichten können. Doch das war ihr nie in den Sinn gekommen, weil sie wusste, dass ihre Mutter ihr ein solches Vorgehen nie verziehen hätte.
Jetzt überlegte sie, wie ihr Leben ohne das Puppengeschäft aussehen würde, und zu ihrer Überraschung hatte die Vorstellung nichts Beängstigendes. Vielmehr erfüllte sie sie mit einer Begeisterung, wie sie sie für das Geschäft selbst nie aufgebracht hatte.
Vielleicht verhalf Tylers Unterstützung ihr zu der Erkenntnis, dass es Zeit war, loszulassen. Das Geschäft, das ihre Mutter mehr als alles andere auf der Welt geliebt hatte, war für Annalise nichts weiter als eine Schlinge um den Hals, die sich langsam zuzog und sie erstickte.
Sie würde diese letzte Puppe noch fertigstellen und ihrer Belegschaft viel Zeit einräumen, neue Stellen zu finden. Sie würde ihnen allen eine attraktive Abfindung bieten, und dann würde sie das Geschäft verkaufen, das Geld nehmen und frei sein.
Sie würde Kurse in Modedesign belegen, sich auf ihre Zeichenmappe konzentrieren und die Mode entwerfen, von der sie immer geträumt hatte. Es war Zeit, ihren eigenen Traum in Angriff zu nehmen. »Ich hole mir mein Leben zurück, Mutter«, sagte sie laut.
»Ich habe dir doch gesagt, dass sie mir gehören wird, Mutter«, hauchte er im Flüsterton, als er zusah, wie der Junge die Ladentür aufschloss und im Hausinneren verschwand.
Seine Stirn legte sich in Falten, als er seitlich von dem Gebäude einen Schatten bemerkte. Max. Der obdachlose alte Idiot störte ihn nicht. Nicht mehr lange, dann würde er wieder unter seinem Baum liegen, sturzbetrunken und jenseits von Gut und Böse. Und falls er mit jemandem sprach, würde ihm ohnehin kein Mensch glauben. Kein Mensch würde sich auch nur eine Sekunde lang das Geschwafel eines wahrnehmungsgestörten Trinkers anhören.
Ein Schauder der Erregung lief über seinen Rücken. Seit drei Tagen wartete er nun schon auf sie. Die Reporter und Nachrichtenleute waren am zweiten Tag abgezogen, und seitdem hatte niemand mehr das Haus betreten oder verlassen.
Er hatte das Fenster oberhalb der Feuerleiter eingeschlagen und entriegelt und sich so für jede Zeit einen Weg ins Haus sichern können.
Jetzt war der Junge hier, und er würde Annalise zurückholen. Und wenn sie kam, würde er sie bereits erwarten. In dieser Nacht noch sollte sie ihm gehören.
23. Kapitel
T yler stand vor dem Apartmenthaus, in dem Eleanor Stanko von ihrem Mann umgebracht worden war. Der Ehemann hatte sich mit einer Waffe und seinen zwei kleinen Kindern im Haus verbarrikadiert.
Bei den Stankos war der gewalttätige Umgang miteinander schon seit sehr langer Zeit an der Tagesordnung, und an diesem Abend hatte es mit diesen Verhältnissen ein tragisches Ende genommen. Das Ziel des Teams war es jetzt, die Kinder wohlbehalten aus dem Gebäude zu holen, damit die Tragödie nicht noch schlimmer wurde.
Tyler zückte sein Handy und gab die Nummer des
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