Angst sei dein Begleiter: Thriller (German Edition)
am Tisch und unterhielten sich bei Sandwiches mit Geflügelsalat und Krautsalat.
»Tyler wusste schon immer genau, was er mit seinem Leben anfangen wollte«, sagte Nancy. »Seit er die Leiche dieses armen Kerls auf dem Grundstück neben unserem Garten gefunden hatte, wusste er, welcher Aufgabe er sein Leben widmen wollte. Er macht seine Sache gut, aber sein Job macht mir auch Sorgen. Wie steht’s mit Ihnen? War es schon immer Ihr Wunsch, Puppenmacherin zu werden?«
»Ich glaube, ich hatte gar keine Wahl. Ich wusste von Anfang an, dass dies mein Beruf sein würde. In meiner Jugend war es einfach eine Selbstverständlichkeit.«
»Und sind Sie glücklich mit Ihrem Beruf?« Nancy zog eine Augenbraue hoch, auf genau die gleiche Art, wie Annalise es bei Tyler gesehen hatte.
Annalise ließ sich Zeit mit der Antwort. »Das habe ich eine ganze Zeit lang geglaubt. Schon bevor ich von den Ermordungen erfuhr, habe ich mich oft gefragt, ob meine Arbeit mich wirklich glücklich macht.«
»Es ist ja noch nicht zu spät, wissen Sie. Sie sind noch jung genug, um genau das zu tun, was Sie gern tun möchten.« Nancy griff wieder nach ihrem Sandwich, nahm einen Bissen und kaute nachdenklich. »Tyler wird nie einen anderen Beruf ausüben als seinen jetzigen. Seine Arbeit im Morddezernat ist für ihn mehr als ein Beruf, es ist das, was ihn ausmacht. Ich kann nur für ihn hoffen, dass er dafür einen Ausgleich in seinem Leben findet. Noch nie war ihm ein Mensch wichtiger als seine Arbeit.« Sie lächelte Annalise an. »Ich glaube, Sie könnten der Mensch sein, auf den er immer gewartet hat.«
»Er bedeutet mir sehr viel«, entgegnete Annalise. Sie war noch nicht bereit, offen über die Tiefe ihrer Gefühle für Tyler zu sprechen. Sie gestand sie sich ja selbst kaum ein.
Nancy musterte sie lange, dann nickte sie. Die restliche Mahlzeit unterhielt sie Annalise mit amüsanten Geschichten aus Tylers Kindheit.
»Er war ein frühreifes Kerlchen, stellte dauernd Fragen, wollte immer genau wissen, warum Menschen so und nicht anders handeln. Wenn er nicht Polizist geworden wäre, dann wahrscheinlich Psychotherapeut«, bemerkte Nancy.
Als sie aufgegessen hatten, hatte Annalise das Gefühl, eine neue Freundin gefunden zu haben. Nancy war warmherzig und humorvoll, und es war nicht zu übersehen, von wem Tyler einen Großteil seines Charmes geerbt hatte. Daher waren die beiden Frauen mittlerweile zum vertraulichen Du übergegangen.
»Soll ich dir wirklich nicht beim Streichen helfen?«, fragte Nancy, als sie zum Aufbruch rüstete.
»Danke, aber ich schaffe das schon allein. Ich brauche eine Beschäftigung, solange ich hier bin.«
An der Hintertür nahm Nancy sie rasch in den Arm. »Ich weiß, du machst gerade eine schwierige Phase durch, doch die geht vorbei. Tyler ist klug, und er und seine Leute werden den Mann noch fassen, der diese Morde auf dem Gewissen hat.«
»Ich weiß. Ich habe vollstes Vertrauen in deinen Sohn.«
Nancy sah ihr lange in die Augen. »Brich ihm nicht das Herz, Annalise«, sagte sie leise. Sie wartete die Antwort nicht ab, sondern drehte sich um und ging.
Annalise schloss die Tür hinter ihr ab, setzte sich auf einen Küchenstuhl und blickte aus dem Fenster. Brich ihm nicht das Herz. Das war das Letzte, was sie wollte. Sie war in Tyler verliebt, und doch hinderte etwas sie daran, es ihm zu gestehen, dem Gefühl nachzugeben, das lichterloh in ihrem Herzen brannte.
Die Morde. Im Augenblick war alles so ungewiss. War es da ein Wunder, dass es ihr momentan nicht gelang, Klarheit in ihr Privatleben zu schaffen? Sie wollte jetzt keine Entscheidung treffen, nicht, wenn um sie herum so vieles geschah. Sie hatte Angst, sich auf die Liebe einzulassen, wenn der Tod so allgegenwärtig war.
Den Rest des Nachmittags verbrachte sie mit Streichen, und um vier Uhr unterbrach sie die Arbeit, um Steaks zum Überbacken in den Ofen zu schieben. Wie üblich hatte sie keine Ahnung, wann sie mit Tyler rechnen konnte, doch er hatte kurz vorher angerufen und sie wissen lassen, dass er versuchen wollte, gegen sieben Uhr zu Hause zu sein.
Sie duschte und zog sich um und saß dann am Tisch und zeichnete, als Tyler heimkam. »Mhm, hier riecht’s gut«, sagte er und trat in die Küche.
»Überbackene Steaks«, erklärte sie. »Und ich kann nur hoffen, dass es so gut schmeckt, wie es riecht.«
»Ich dachte, du kannst nicht kochen.« Er blieb hinter ihr stehen und legte ihr die Hände auf die Schultern.
»Man muss keine Vier-Sterne-Köchin
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