Angst sei dein Begleiter: Thriller (German Edition)
Morgen die Augen aufgeschlagen hatte, war nicht das Puppengeschäft ihr erster Gedanke gewesen. Ihr erster Gedanke hatte Tyler King gegolten.
Sie sollte endlich eine Entscheidung treffen, wie die nächste Puppe aussehen würde. Sie sollte ihre gesamte Freizeit damit verbringen, die Kassetten anzuhören, die Danika ihr gegeben hatte, um die perfekte Stimme für die neue, verbesserte Puppe zu finden.
Es war dumm, so viel Zeit mit Gedanken an Tyler zu verschwenden. Man sagt, dass man künftiges Verhalten aus früherem Verhalten ableiten könne, und wenn das zutraf, dann wusste Annalise, wie es mit Tyler weitergehen würde.
Sie würden eine Zeitlang miteinander ausgehen, gemeinsam Spaß haben, lachen und miteinander schlafen. Irgendwann würde die Leidenschaft abklingen, oder er würde mehr von ihr verlangen, als sie zu geben bereit war, und das würde dann das Ende sein. Solange es andauerte, würde es toll sein, aber lange dauerte es nie.
Als sie zurück ins Erdgeschoss kam, herrschte schon Hochbetrieb in der Fertigung. Das Surren einer Nähmaschine wetteiferte mit Bens Haartrockner, als die letzten Birthday-Bonnie-Puppen fertiggestellt wurden.
Annalise setzte sich an ihren Schreibtisch und schaltete den Computer ein. Wenn ihr in der Stadt Konkurrenz entstanden war, erfuhr sie vielleicht im Internet etwas darüber.
Eine Stunde später gab sie die Suche auf. Falls ein neues Puppengeschäft in der Umgebung aufgemacht hatte, betrieb es offenbar noch keine Online-Werbung, also machte sie sich daran, ihre Inventurliste auf den neuesten Stand zu bringen.
Annalise saß noch immer vor dem Computer und bearbeitete den Lagerbestand, als Danika unverhofft auftauchte. »Bei mir ist ein Termin ausgefallen, und da dachte ich, wir könnten vielleicht zusammen zu Mittag essen.«
»Ich dürfte eigentlich keine Pause machen«, erwiderte Annalise. »Ich hinke mit der Inventurliste hinterher und muss noch ein paar Skizzen zu Ende bringen, und dann endgültig entscheiden, wie unser nächstes Projekt aussehen soll. Ich habe am Wochenende viel zu viel versäumt.«
Danika sah sie verwundert an. »Das sieht dir gar nicht ähnlich. Warst du krank oder so?«
»Oder so. Ich habe dieses Wochenende Charlie kennengelernt.« Ihre Freundin musterte sie verständnislos. »Du weißt schon, Charlie, meinen Halbbruder.«
Danika riss die Augen auf. »Du meinst den kleinen Mistkerl, der es geschafft hat, die Liebe deines Vaters zu gewinnen, die er dir nicht gegeben hat?«
Annalise bemerkte, dass alle im Raum ihre Arbeit unterbrachen und auf die Fortsetzung des Gesprächs zwischen Danika und ihr warteten. »Geht wieder an die Arbeit, Leute«, sagte sie, erhob sich von ihrem Schreibtischstuhl und nahm Danika am Arm. »Ich habe keine Zeit, essen zu gehen, aber ich lege eine Viertelstunde Pause in meiner Wohnung ein.«
Danika ging zum Aufzug, und Annalise hastete die Treppe hinauf und überlegte, ob sie ihrer Freundin nicht nur von Charlies Besuch, sondern auch von dem Picknick mit Tyler erzählen sollte.
Als Annalise in ihre Wohnung kam, war Danika bereits in der Küche und sah in den Kühlschrank. »Hast du außer Mineralwasser überhaupt nichts vorrätig?«
»Vorn in der Tür müssten noch ein paar Flaschen Limo stehen. Gib mir bitte eine Cola.«
Danika stellte die Getränke bereit, und sie setzten sich an den Tisch. »Erzähl mir alles«, verlangte Danika.
Annalise tat ihr den Gefallen, angefangen von dem Moment, als Charlie aus seinem Versteck im ersten Stock auftauchte, bis zu ihrer Begegnung mit Sherri und dem Abschied.
»Und wie war die Bekanntschaft mit der bösen Stiefmutter? Hat sie dir einen schönen, glänzenden Apfel angeboten?«
Annalise lachte über den Bezug auf das alte Märchen. »Eigentlich fand ich sie nett. Ich glaube, wenn ich mir ein bisschen Mühe gebe, kann ich sie gut leiden.«
Danika trank einen Schluck und musterte Annalise. »Also verträgst du dich mit deinem Stiefbruder und deiner Stiefmutter, aber deinen Vater hasst du noch immer.«
»Ich hasse meinen Vater nicht«, protestierte Annalise.
»Du hast große Probleme mit deinem Vater, und wenn du die nicht löst, wirst du nie die wahre Liebe finden. Es wundert mich ohnehin, dass keine Schlampe aus dir geworden ist. Das geschieht doch oft genug mit Mädchen, die keinen Vater in ihrem Leben haben, oder?«
Annalise lachte. »Ich hatte leider keine Zeit, von einem Bett ins andere zu hüpfen. Meine Mutter hat mich an sehr kurzer Leine gehalten.«
»Fang mir bloß
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