Angst vor dem Blutbiss
klatschten seine Hände gegen die glatten Innenseiten der Felsen, doch einen Halt fand er nicht.
Es ging abwärts.
Der Vampir schrie. Leise, wimmernde, aber auch wütende Laute drangen aus seinem Mund. Er spürte den Wind, der sich bei seinem Fall nach unten in Strömungen aufgeteilt hatte, die ihn packten, mit ihm spielten, in sein verletztes Gesicht mit den ›Säurewunden‹ hineingriffen und ihn plötzlich gegen die Wand schleuderten.
Vielleicht war er auch nur gegen einen Vorsprung gefallen. Der Blutsauger hatte es nicht erkennen können. Jedenfalls schlug er wieder um sich, und plötzlich hatte er Glück.
Seine Hände kriegten etwas zu fassen.
Gesträuch!
Hart und rissig, aber es gab ihm genau den Halt, den er benötigte. Und er hielt sich eisern daran fest. Zuerst mit einer Hand, dann mit der anderen. Er stellte fest, daß das an der Felswand wachsende Strauchwerk nachgab, nur brach es nicht ab. Es war sehr zäh, und es federte auch nach.
Daran hing der Vampir!
Es dauerte eine Weile, bis er überriß, was mit ihm geschehen war. Er war zwar gefallen, aber nicht auf den Grund der Schlucht und auch nicht ins fließende Wasser. Er hing fest.
Auf halber Höhe oder so…
Allmählich kam ihm zu Bewußtsein, was das bedeutete. Er war nicht vernichtet, das Schicksal hatte es gut mit ihm gemeint. Er existierte noch, und er würde sich auch weiterhin Blut verschaffen können, wenn er hier wegkam. Die drei Männer hatten es nicht geschafft, aber er.
Und er hatte Zeit.
Er würde seine Rache genießen. Er würde sie nicht aus den Augen lassen, und irgendwann – es konnte Jahre dauern – würde er zuschlagen.
Brutal und endgültig!
***
Ein Vorzimmer!
Aber was für eines. So groß wie die meisten Zimmer eines Chefs.
Perfekt eingerichtet von einem Innenarchitekten. Es herrschten die warmen Brauntöne vor, und das kostbare Eibenholz zeigte einen leichten Glanz.
Ein weicher, leicht grünlicher Teppichboden paßte sich hervorragend an, wie auch die beiden Frauen, denen dieses Zimmer als Arbeitsplatz diente.
Auch sie waren perfekt gestylt. Sie konnten es sich leisten, auch bei diesem sommerlichen Klima in Business-Kleidung zu erscheinen, dazu gehörten eben die Kostüme und das andere perfekte Outfit, da saß jeder Lid- und Lippenstrich.
Eine Klimaanlage sorgte zwar dafür, daß ich nicht mehr schwitzte, aber der auf der Haut sitzende Schweiß hatte sich in kaltes Fett verwandelt, und ich war froh, daß mein Duschgel so gut vorsorgte und den Körpergeruch zurückhielt.
Ich stand vor einem der beiden Schreibtische. In der Nähe spuckte ein Fax lange Papierstreifen aus, um die sich die zweite Sekretärin kümmerte, die, wenn sich unsere Blicke trafen, anfing zu lächeln, rein geschäftsmäßig versteht sich.
Auch die zweite lächelte. Sie saß hinter ihrem Schreibtisch und mußte zu mir hochschauen.
Die Fenster befanden sich an der rechten Seite des großen Zimmers.
Ihre Scheiben waren nicht zu sehen, denn dünne Gardinen nahmen mir die Sicht auf das Glas. Dahinter lag die Außenwelt, da war die City von London, aber man hörte nichts in diesem Raum, der einer anderen Welt glich, die sich mitten in die normale hineingeschoben hatte.
Ich kam mir ziemlich falsch vor in meiner dünnen Sommerhose, dem lachsfarbenen Hemd und der dünnen Jacke, die ich mir trotz der Wärme draußen übergestreift hatte, denn niemand sollte unbedingt meine Beretta zu Gesicht bekommen.
Das lächelnde Gesicht blieb. Hinter den Gläsern der Brille schauten mich die Augen kühl an. »Sie sind Mr. Sinclair?«
»Ja, Lady, seit meiner Geburt.«
Über den Scherz konnte sie nicht lachen, ich aber auch nicht über sie, denn diese Vorzimmerperlen, die mir immer vorkamen, als würden sie auf den Fotografen eines Modemagazins warten, lagen mir nicht. Das waren für mich künstliche Geschöpfe.
»Sie können noch einen Moment Platz nehmen. Mr. Carrigan wird noch beschäftigt sein.«
»Ich war um elf Uhr verabredet, Madam«, sagte ich. »Sie können es sich aussuchen, entweder gehe ich jetzt zu Ihrem Chef hinein, oder ich mache auf dem Absatz kehrt, und dann müßte Ihnen eine Erklärung einfallen, die sich verdammt gut anhört. Haben wir beide uns verstanden?«
Das hatten wir.
Die Frau saß da und kriegte den Mund nicht zu. Ihre Kollegin hatte mich ebenfalls gehört und erinnerte mich an eine Figur aus Eis.
Die zweite Tür ging auf.
Ich hörte ein Lachen, dann erschien ein Mann, der mir wesentlich sympathischer war als die beiden
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