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Angst

Angst

Titel: Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Firma, und wies ihn in rüdem Tonfall an, in einer Stunde zu einer Krisensitzung ins Büro zu kommen und sofort einen seiner Leute zu Hoffmanns Haus zu schicken. Schließlich schaffte er es, sich bis zu Inspektor Leclerc durchstellen zu lassen und diesen davon zu überzeugen, dass Dr. Hoffmann nicht sofort nach Verlassen des Krankenhauses im Polizeipräsidium erscheinen müsse, um seine Aussage protokollieren zu lassen. Leclerc erklärte sich damit einverstanden, aus seinen detaillierten Notizen einen Bericht anzufertigen, den Hoffmann, falls nötig, korrigieren und später am Tag unterzeichnen würde.
    Während Quarry telefonierte, beobachtete Gabrielle ihn mit widerwilliger Bewunderung. Er war das genaue Gegenteil von Alex. Er war gut aussehend, und er wusste es. Auch seine blasierten südenglischen Manieren zerr ten an ihren presbyterianischen nordenglischen Nerven. Manchmal fragte sie sich, ob er schwul war und ob hinter seinen Vollblutstuten womöglich mehr Show als Action steckte.
    »Hugo«, sagte sie mit ernster Stimme, nachdem er seine Telefonate beendet hatte. »Ich möchte, dass du mir einen Gefallen tust. Sag ihm, dass er heute auf keinen Fall mehr ins Büro gehen darf.«
    Quarry nahm wieder ihre Hand. »Meine Liebe, wenn ich der Meinung wäre, dass das irgendetwas nutzen würde, würde ich es sofort tun. Aber du weißt ja mindestens ebenso gut wie ich: Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann zieht er das auch durch.«
    »Ist das, was er heute noch zu erledigen hat, wirklich so wichtig?«
    »Ja, ziemlich.« Quarry drehte kaum merklich sein Hand gelenk, sodass er auf die Uhr sehen konnte, ohne ihre Hand loszulassen. »Ich meine, natürlich gibt es nichts, was man nicht aufschieben könnte, wenn wirklich die Gesundheit auf dem Spiel stünde. Aber wenn ich ehrlich bin … Es wäre definitiv besser, wenn er bei dieser Sache heute dabei wäre. Die Leute kommen von weit her, nur um ihn zu treffen.«
    Sie zog ihre Hand weg. »An deiner Stelle würde ich dar auf achten, dass du deine goldene Gans nicht umbringst«, sagte sie bitter. »Das wäre definitiv schlecht fürs Geschäft.«
    »Du brauchst nicht zu glauben, dass ich das nicht weiß«, sagte Quarry sanft. Sein Lächeln kräuselte die Haut um seine tiefblauen Augen. Seine Wimpern waren strohblond, ebenso wie sein Haarschopf. »Hör zu, wenn ich zu der Überzeugung komme, dass er sich selbst in Gefahr bringt, dann verfrachte ich ihn binnen einer Viertelstunde nach Hause und stecke ihn mit Mutti ins Bett. Du hast mein Wort. Da, schau …« Er blickte über ihre Schulter. »Da kommt er schon, unser lieber alter Gänserich. Zwar ein bisschen gerupft und zerzaust, aber er ist es, kein Zweifel.«
    Im nächsten Augenblick war er auf den Beinen.
    »Na, mein Junge«, sagte er und ging Hoffmann entgegen. »Wie fühlst du dich? Du siehst blass aus.«
    »Wenn ich erst mal hier raus bin, geht’s mir wieder besser.« Hoffmann schob die CD in seine Manteltasche, damit Gabrielle sie nicht zu Gesicht bekam. Er küsste sie auf die Wange. »Kommt alles wieder in Ordnung, Schatz.«

    Sie durchquerten den Empfangsbereich. Es war kurz vor halb acht. Inzwischen hatte der Tag begonnen, widerwillig, wolkenverhangen und kalt. Die dichten Wolkenbänke, die über dem Krankenhaus hingen, hatten die gleiche graue Farbe wie das Hirngewebe. Zumindest kam es Hoffmann so vor, der überall dort, wo er hinschaute, seine CT -Aufnahme zu sehen meinte. Über den runden Vorplatz blies ein heftiger Wind, der ihm den Regenmantel um die Beine wickelte. Eine kleine Gruppe Raucher, Ärzte in weißen Kitteln und Patienten in Morgenmänteln, stand dicht gedrängt vor dem Haupteingang und trotzte dem ungewöhnlich kalten Maiwetter. Der Zigarettenrauch wirbelte durch das Licht der Natriumdampflampen und verschwand im Nieselregen.
    Quarry führte sie zu dem bestellten Wagen. Es handelte sich um einen großen Mercedes des diskreten und zuverlässigen Genfer Limousinenservices, den der Hedgefonds unter Vertrag hatte. Er stand auf dem Behindertenparkplatz. Der Fahrer, ein kräftig gebauter Mann mit Schnurrbart, stieg aus und öffnete ihnen die hintere Tür. Der hatte ihn früher schon gefahren, dachte Hoffmann. Krampfhaft versuchte er, sich an den Namen des Mannes zu erinnern.
    »Georges!«, sagte er erleichtert. »Einen schönen guten Morgen, Georges!«
    »Guten Morgen, Monsieur.« Der Chauffeur lächelte und berührte mit der Hand seine Mütze, als erst Gabrielle und dann Quarry einstiegen.

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