Angstfrei arbeiten
hat. Wenn die wegbricht – was bleibt? Für viele eben leider nicht mehr viel.
Ein Coaching-Klient von mir war bis vor Kurzem Führungskraft in einem großen Konzern. Er hat sich vorbildlich um seine Mitarbeiter gekümmert, war beliebt („Endlich hört uns jemand mal wirklich zu!“) und ging gern seinen Aufgaben nach. Die Aufgaben und Baustellen wurden immer mehr – er begann, Fehler zu machen. Da er selbst im Extremstress war, fielen ihm diese Fehler nicht auf. Und keiner redete mit ihm. Die Fehler häuften sich, es wurde brenzlig. Das Ende vom Lied: Ohne dass jemals einer seiner Führungskräfte ein wirklich offenes, ernstes Wort mit ihm gesprochen hätte, wurde er von heute auf morgen seiner Aufgaben enthoben. Einer seiner Kollegen fand ihn nach diesem Gespräch völlig in Tränen aufgelöst im Auto vor. Abgesehen davon, dass er wirklich einige schwere Böcke geschossen hat – die Art und Weise, ihm das zu sagen und gleich mit derartigen Konsequenzen – da haben sich seine Vorgesetzten wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert.
Seine ganze Welt brach zusammen: Er musste sich von seinen geliebten Mitarbeitern verabschieden und bekam keine Chance, aus seinen Fehlern zu lernen. Er wurde zwar im Unternehmen gehalten, aber degradiert zum besseren Sachbearbeiter in hinterster Reihe. Dazu kam die große Angst davor, dass ihn seine Freundin verlässt – er hatte dieirrige Idee, sie könne den Statusverlust nicht ertragen. (Was sich gottlob schnell als falsch herausgestellt hat: Seine Freundin war ihm die beste Stütze in den Wochen danach – dieser Schlag hat beide einander noch deutlich näher gebracht.)
Er fuhr erst einmal mit seiner Freundin ein paar Tage zu seinen Eltern – ja, auch ein großer Erwachsener darf sich in Krisen auch mal wieder von Mami verwöhnen lassen. Er kam allmählich zur Ruhe, erschöpft, aber nicht mehr völlig verzweifelt.
Und nun können wir im Coaching Strategien entwickeln, mit dieser Niederlage gut umzugehen. Er beginnt ganz langsam zu ahnen, dass auch dieser Schlag Gutes für ihn in sich birgt. Er möchte daraus lernen, er beginnt, seinen Blick allmählich wieder auf das zu lenken, was ihm guttut, was ihm gelingt, welchen Gewinn diese Krise für ihn haben könnte. Perspektivenwechsel ist ein gutes Mittel. Aber erst gilt es, die Verzweiflung auszuhalten, durch die Angst hindurchzugehen und nichts zu verdrängen.
Der innerste Kernmeiner Identität– krisensicher und immer da
Wie gesagt: Es gibt so etwas wie einen innersten Kern meiner Identität – fernab aller Rollen, Eigenschaften und äußeren Merkmale, die mich außerdem ausmachen. Diesen Kern kann ich nur spüren, oft nicht in Worte fassen und selten anderen Menschen zugänglich machen.
Seien Sie sich Ihrer selbst bewusst – seien Sie sich Ihres Kerns stets bewusst! Machen Sie sich klar, dass es da etwasgibt, was hundertprozentig krisensicher ist. Etwas, dem kein Jobverlust, kein Auftragseinbruch, keine Scheidung, kein Umzug, keine Angst und kein Zweifel etwas anhaben können. Etwas, das immer da war, da ist und bleiben wird.
Wenn Sie sich dieses Kerns bewusst sind, dann bricht Ihnen nämlich nicht alles weg, wenn Sie Ihren Job, Ihre Gesundheit oder Ihren Partner verlieren. Dann verlieren Sie in diesem Augenblick zwar Ihre „Bedeutung“ in der Rolle als Arbeitnehmer, fitter Mensch oder Ehemann – aber nicht Ihre Identität.
Ich könnte Ihnen jetzt hochphilosophisch oder spirituell kommen, denn dieser innerste Kern ist auch in der Philosophie, in der Religion und in der Psychologie ein wichtiges Thema. Mache ich aber nicht. Ich möchte, dass Sie das ganz unspektakulär sehen und nicht erst halbe Wissenschaften verstanden, Bücher darüber gelesen und sich durch viel Theorie gebuddelt haben müssen. Nennen Sie es innerster Kern, nennen Sie es Seele oder höheres Selbst: Es geht darum, es zu spüren, sich dessen bewusst zu sein und sich gerade in Krisenzeiten deutlich daran zu erinnern.
Also: Buddeln Sie ihn aus, den Kern! Beschäftigen Sie sich mit ihm, pflegen und polieren Sie ihn. Hier einige Anregungen dazu:
Mein innerster Kern – immer da
Schreiben Sie sich in aller Ruhe auf, was Sie alles ausmacht: alle Stärken, Eigenschaften, Rollen, Talente, Eigenheiten. Sie können auch später noch gern ergänzen.
Nehmen Sie sich diese Liste immer mal wieder vor und schärfen Sie Ihr Gespür dafür, was davon zu Ihrem innersten Kern gehört und was zu einer Rolle. Was war immer schon da und bleibt absolut unveränderlich?
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