Angstschrei: Thriller
Etliche Monate lang sogar ausgesprochen gut. Abby war stolz auf das Vertrauen, das ihr entgegengebracht wurde. Vor allem von Kelly. Sie hat hart gearbeitet und ihre Sache wirklich sehr gut gemacht.«
» Und was ist dann passiert?«
» Dann hat sie sich in Kelly verliebt.«
» Ich dachte, Kelly sei schwul.«
» Das ist er auch. Aber sie hat sich trotzdem in ihn verliebt.«
» Und dann?«
» Es hat ihr regelrecht den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich habe ihr während unserer Sitzungen immer wieder gesagt, dass sie sich Kelly aus dem Kopf schlagen soll, aber sie meinte, dass sie ihre Gefühle nicht ändern kann. Also habe ich ihr vorgeschlagen, Sanctuary House wieder zu verlassen.«
» Was ist daraufhin geschehen?«
» Sie hat sich an Jack gewandt. Hat ihm ihre Gefühle gestanden. Hat ihm eindeutige sexuelle Angebote gemacht.«
» Das hat sie Ihnen erzählt?«
» Später, ja, aber zuerst habe ich es von Kelly erfahren. Er war besorgt um sie. Anscheinend hat er ihr gesagt, dass er sie für eine tolle junge Frau halte, ihre Gefühle aber leider unangemessen seien. Dass das Ganze eine unmögliche Situation sei und dass es für alle das Beste wäre, wenn sie Sanctuary House verließe.«
» Das klingt nach einer angemessenen Reaktion.«
» Der Meinung bin ich auch.«
» Und wie hat sie reagiert?«
» Sie hat sich verstoßen gefühlt. Erniedrigt. Er war der erste Mann, den sie seit dem Beginn ihrer Krankheit begehrt hatte, und dieser Mann hatte sie abgewiesen.«
» Hat er ihr gesagt, dass er schwul ist?«
» Ja. Ich glaube, in gewisser Weise wusste sie es auch vorher schon. So hat sie unterbewusst eine Situation herbeigeführt, die unweigerlich zur Zurückweisung führen musste.«
» Warum?«
» Das weiß ich nicht. Vielleicht, um sich ihre eigene Minderwertigkeit zu demonstrieren.«
McCabe musste an das Foto von der kräftig und gesund aussehenden jungen Frau auf den Felsen am Meer denken. Nur wenige Jahre älter, als Casey jetzt war. GRRRL POWER ! hatte auf ihrem Sweatshirt gestanden. Eine tiefe Traurigkeit machte sich in ihm breit. Wie ungerecht das Leben sein konnte, welche Knüppel es manchen Menschen zwischen die Beine warf. Aber ihm war klar, dass er nicht viel daran ändern konnte.
Er zog das Foto aus der Tasche, das Lainie Goff umringt von anderen Menschen bei einem offiziellen Anlass zeigte, und reichte es Wolfe. » Haben Sie vielleicht eine Ahnung, bei welcher Gelegenheit das gemacht worden ist?«
» Ja. Das war auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung zugunsten des Sanctuary House. Ungefähr eine Woche vor Weihnachten. Ich war auch da. Insgesamt waren es vielleicht hundert Gäste.«
» Ich kenne Ogden und Kelly und natürlich auch Goff. Wissen Sie, wer die beiden anderen sind?«
» Die Blonde ist eine Rechtsanwältin von Palmer Milliken. Janet irgendwas. Die habe ich erst an dem Abend kennengelernt.«
» Janet Pritchard?«
» Kann sein.«
» Und der Große mit der Glatze?«
» Irgendein Geldsack aus Boston«, sagte Wolfe. » Goff hat ihn an Land gezogen und ihm einen ordentlichen Batzen Geld aus dem Kreuz geleiert, und Kelly hat die Spende dann auf der Veranstaltung entgegengenommen.«
» Wie viel?«
» Zehn Riesen.«
» Wissen Sie zufällig, wie der Geldsack heißt?«, wollte McCabe wissen.
» Ähm… ja.« Wolfe hielt inne, um nachzudenken. » Einen Augenblick bitte. Leider habe ich nicht Ihr absolutes Gedächtnis.« Er blickte mit zusammengekniffenen Augen in die Ferne. » Tom? Ted? Nein, Todd. Genau. Todd Martin? Nein, das ist ein Tennisspieler.«
» Todd Markham?«
» Markham, ja, genau.« Wolfe nickte. » Todd Markham.«
Es klingelte. Wolfe schaute auf seine Armbanduhr. » Das Essen ist da«, sagte er. » Bleiben Sie sitzen. Ich laufe schnell runter und hole es.«
Mein Gott, dachte McCabe, das Ganze wird ja richtig inzestuös. Noch einmal betrachtete er sich das Foto. Jede der darauf abgebildeten Personen hatte irgendeine Beziehung zu Goff, und alle hatten sie unter Umständen ein Motiv gehabt, sie umzubringen. Kelly wegen des Geldes. Ogden als ihr Liebhaber. Pritchard als Konkurrentin um eine Teilhaberschaft bei Palmer Milliken und vielleicht auch um Ogdens Gefühle. Und Markham? Bis jetzt wusste er nur, dass Lainie in Markhams Haus gestorben war, in seinem Bett. Vielleicht war sie ja auch seine Geliebte gewesen.
Markham war am Dienstagabend in Chicago, hatte Maggie gesagt . Zum Abendessen mit ein paar seiner Mandanten. Hat im Hyatt übernachtet. Und in Boston war er
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