Angstschrei: Thriller
Abby«, sagte er. » Ich bin von der Polizei.«
Sie riss die Augen weit auf und schaute ihn an. Ein Ausdruck fassungslosen Entsetzens trat auf ihr Gesicht. Sie schwang die beiden Arme weit zurück und drehte ihren Körper dabei ein wenig nach links. Dann riss sie die Arme in kräftigem Schwung nach vorne. Die beinahe perfekte Imitation einer beidhändigen Rückhand. Dabei stöhnte sie auf wie eine Serena Williams im Nachthemd. Nur dass Abby keinen Schläger in den Händen hielt.
Sie fing an zu schreien und mit den Armen zu fuchteln. Sie stürzte nach vorne. Er fing sie auf, schlang die Arme um sie und hielt sie fest umklammert, wie man es mit kleinen Kindern bei einem unkontrollierten Wutanfall macht. Sie wand sich und wehrte sich und kreischte in den höchsten Tönen, die Augen vor Entsetzen weit aufgerissen. Er konnte sie kaum bändigen. » Alles in Ordnung, Abby«, wollte er sagen, doch seine Stimme wurde von ihren Schreien übertönt. Sie versuchte ihm einen Kopfstoß zu verpassen, verfehlte ihn jedoch knapp. Ein Sanitäter kam ins Badezimmer gestürzt.
» Halten Sie sie weiter fest!«, rief er, und McCabe nahm noch einmal all seine Kraft zusammen. Aus dem Augenwinkel konnte er erkennen, wie der Mann Abbys Ärmel nach oben schob und ihr eine Spritze mit einer kurzen Nadel in den Arm stach. Sie kreischte und wehrte sich noch ungefähr eine Minute lang, doch dann entspannte sie sich zusehends. Trotzdem ließ er sie nicht los. Sie hörte auf zu schreien. Dann legte sie ihren Kopf an McCabes Schulter und weinte. Als sie schließlich ganz ruhig geworden war, kamen zwei Sanitäter herein, schnallten sie auf eine Trage und schoben sie in einen wartenden Krankenwagen.
» McCabe?«, sagte eine Männerstimme.
Das war T. Ly, der Polizist, der ihn zum Fish Pier gefahren hatte. Kaum zu glauben, dass seither noch keine sechsunddreißig Stunden vergangen waren.
» Wie geht es Maggie?«, erkundigte sich McCabe. Draußen blitzten die blauen Blinklichter des halben Dutzends Streifenwagen sowie die roten der beiden Notarztwagen.
» Ganz gut, glaube ich. Der Sanitäter hat gesagt, dass sie erst in der Notaufnahme eine hundertprozentige Aussage machen können, aber er denkt, dass es nicht so schlimm ist. Anscheinend hat die Kugel keine lebenswichtigen Organe verletzt.«
McCabe nickte und ging nach draußen. Er rief bei Terri Mirabito zu Hause an. Weckte sie auf. Sie sagte, sie werde sich sofort auf den Weg machen. Anschließend rief er in der 109 an und bat darum, einen Kriminaltechniker aufzutreiben, der nicht gerade mit Jacobi auf Harts Island war.
Maggie war immer noch bei Bewusstsein, als sie zum zweiten Notarztwagen getragen wurde. Er lächelte ihr zu. Sie lächelte zurück, doch das Lächeln wurde zu einer Grimasse, als die Sanitäter sie in den Wagen schoben. Sie klappten die Türen zu, und er sah sie wegfahren.
31
Es war 2.00 Uhr nachts. Im Cumberland Medical Center herrschte reger Betrieb. Die Tatsache, dass es Samstagabend war, und dazu die milderen Temperaturen lockten die Leute wahrscheinlich aus dem Haus, dachte McCabe, und dann gerieten sie draußen in Schwierigkeiten. Er stand dicht am Eingang zur Notaufnahme und versuchte jemanden aufzutreiben, der ihm sagen konnte, wo Maggie war. Der Empfangstresen schien nicht besetzt zu sein. Ein dichtes Menschenknäuel drängte sich vor dem überfüllten Wartezimmer. Ganz in der Nähe lag stöhnend ein Jugendlicher. Endlich entdeckte er eine Frau in einem weißen Kittel. Sie kniete im Wartezimmer vor einem schmutzigen Mann, der quer über drei Stühlen lag, und war gerade dabei, seine Personalien aufzunehmen. Der Mann sah aus, als hätte er bei einer Kneipenschlägerei den Kürzeren gezogen. McCabe ging auf sie zu und schob sich dabei an einem stummen, Händchen haltenden Paar jenseits der achtzig vorbei. Sie hatte den Kopf an seine Schulter gelehnt, und ihre Augen waren gerötet, als hätte sie geweint. Direkt daneben hielt eine Mutter ihr drei Jahre altes, weinendes Kind in den Armen.
» Ich suche Detective Margaret Savage«, sagte McCabe und streckte der Frau im weißen Kittel seine Dienstmarke entgegen.
» Wen?« Sie sah verwirrt aus.
» Savage. Margaret Savage. Portland Police Department.«
» Warten Sie da drüben«, sagte sie und deutete auf den unbesetzten Tresen.
» Das ist die Schusswunde, richtig?« Eine Männerstimme. Einer der Sanitäter aus der Summer Street. » Sie liegt im Behandlungszimmer drei. Gleich da drüben.« Der Mann zeigte ihm die
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