Angstschrei: Thriller
am ersten Arbeitstag einen Kontakt für Notfälle«, sagte sie. » In der Regel ist das ein Familienmitglied.« Sie runzelte die Stirn. » Das hier hilft Ihnen wahrscheinlich nicht unbedingt weiter.«
» Wieso nicht?«
» Nun, die meisten geben einen Angehörigen an. Lainie nicht.«
» Sondern?«
» Eine Frau, eine gewisse Janie Archer. Mit Wohnsitz in New York.«
» Ihre Schwester vielleicht?«
» Lainie hat angegeben, dass es sich um eine Freundin handelt.«
» Lainie und Janie, hm? Können Sie mir ihre Daten geben?«
Sie schrieb eine Adresse und eine Telefonnummer auf einen Post-it-Zettel und gab ihn McCabe. Eine Adresse in der Upper East Side von Manhattan. Vorwahl 212. Er prägte sich die Angaben ein und warf den Zettel weg.
» Diese Angaben sind sechs Jahre alt«, sagte Beth Kotterman. » Eigentlich sollen sie jährlich auf den neuesten Stand gebracht werden, aber das machen viele nicht. Es könnte sein, dass Lainies Freundin gar nicht mehr da wohnt.«
Das war kein großes Problem. Er konnte Janie Archer auch über eine der beiden Datenbanken ausfindig machen, an die das Portland Police Department angeschlossen war, Accurint oder AutoTrack XP . » Haben Sie vielleicht sonst eine Idee, wo wir einen Hinweis auf ihre nächsten Angehörigen finden könnten?«
» Ja. Ich kann noch woanders nachsehen.« Erneut tippte Kotterman auf der Tastatur herum. » Alle Mitarbeiter bekommen zum Einstieg in die Kanzlei eine befristete Lebensversicherung für die Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit. Ich will mal sehen, wen Lainie als Begünstigten eingetragen hat.«
» Wie hoch ist denn die Versicherungssumme?«, wollte McCabe wissen.
» Das eineinhalbfache Jahresgehalt. In Lainies Fall also ungefähr einhundertachtzigtausend Dollar.«
Nicht schlecht, dachte McCabe. Mit Sicherheit genug, um als Motiv für einen Mord herzuhalten. Aber wenn es tatsächlich ums Geld gegangen war, warum dann diese ganze Show auf dem Anleger abziehen? Warum hatte der Täter keinen Unfall vorgetäuscht? Vielleicht wollte er die Ermittler verwirren. Das kam McCabe allerdings sehr unwahrscheinlich vor. » Wird das Geld auch ausbezahlt, wenn die Mitarbeiterin ermordet worden ist?«
» Da muss ich noch einmal konkret bei der Versicherung nachfragen, aber ich glaube eigentlich schon, ja. Hmmm.« Kotterman blickte über den Rand ihrer Brille hinweg auf den Bildschirm. » Also, das ist ja mal interessant.«
» Was denn?«
» Auch bei der Lebensversicherung ist kein Familienmitglied als Begünstigter eingetragen. Lainies Erstbegünstigter ist nicht einmal eine Person, sondern eine Organisation. Sie heißt Sanctuary House. Mit Sitz in Portland. Ich habe keine Ahnung, was das sein soll.«
» Ich habe schon davon gehört«, erwiderte McCabe. » Aber viel weiß ich auch nicht. Es muss eine kleine soziale Einrichtung sein, eine Art Heim für Kinder und Jugendliche.« So langsam konnte man den Eindruck gewinnen, dass Lainie Goff gar keine Angehörigen hatte. Dass sie eine Waise gewesen war. Welche Verbindung mochte sie wohl zu diesem Sanctuary House haben?
» Tja, da kommt jedenfalls ein großer Batzen Geld auf diese Leute zu.«
» Nach allem, was ich gehört habe, können sie es gut gebrauchen.«
Kotterman sah vom Computer auf und lehnte sich in ihrem Sessel zurück. Sie wirkte müde. » Ich fürchte, das ist alles. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Detective?«
» Haben Sie Lainie gut gekannt?«
» Nein, fast gar nicht. Palmer Milliken hat über dreihundert Mitarbeiter. Ich habe nur ab und zu ein paar Worte mit ihr gewechselt. Für gewöhnlich im Zusammenhang mit irgendwelchen Personalfragen.«
» Wann haben Sie sie das letzte Mal gesehen?«
» Bei unserer Weihnachtsfeier.«
» Wann war das?«
» Am Freitag, 16. Dezember. Im Pemaquid Club. Die meisten Teilhaber sind dort Mitglied, und da hat die Kanzlei einfach den ganzen Club gemietet.« Der Pemaquid Club war einer der Treffpunkte für die Reichen und gut Vernetzten von Portland und nur Mitgliedern zugänglich. Die hundert Jahre alte rote Backsteinvilla lag im West End der Stadt.
» Haben Sie sie auf der Feier gesprochen?«
» Nur im Vorbeigehen. Frohe Weihnachten und einen schönen Urlaub. So in der Art. Lainie hat keine Zeit damit verplempert, mit Leuten wie mir zu plaudern. Sie war hinter dickeren Fischen her.«
» Zum Beispiel?«
» Zum Beispiel den Teilhabern. Besonders den einflussreicheren. Und darunter ganz besonders den männlichen. Sie war, nach allem, was ich gehört
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