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Animal Tropical

Animal Tropical

Titel: Animal Tropical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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reichte bis zum Fenster.«
    »Uff, im Winter muss dieses Häuschen eine Gefriertruhe sein.«
    »Was?«
    Ich kneife den Arsch zusammen, um mir nicht in die Hosen zu machen, und antworte ihr:
    »Ein freezer.«
    »Ja, aber manchmal …«
    »Agneta, ich mache mir gleich in die Hosen.«
    »Ich mag die Landschaft. Der Winter ist ganz anders.«
    »Ich hätte keine Lust, bei dieser Kälte hier zu leben.«
    »Manchmal geht’s hinunter auf minus 25 Grad.«
    »Ich mache mir gleich in die Hosen!«
    »Komm. Sehen wir uns die Fotos an.«
    Sie packt mich am Arm, damit ich mich in einen Sessel setze.
    »Ich kacke mir gleich in die Hosen, verstehst du nicht?«
    »Ich verstehe nicht. Was sagst du?«
    »Kacken. Ein Verb der ersten Konjugation. Wie lieben.« .
    »Kenne ich nicht.«
    »Ich gehe auf die Toilette.«
    Und ich laufe hinaus.
    »O ja. Sorry, sorry.«
    Ich gehe ins Bad, und … ahhh … was für eine Erleichterung. Ein wahres Vergnügen. Ich fühle mich viel leichter. Das Bad ist sehr klein. Ich schließe die Augen, lehne die Stirn an die Ecke des Waschbeckens und lausche dem draußen tosenden Wind. Er lässt die Holzwände knarren. Ein kleines Wehklagen. Er pfeift ständig, unterbrochen vom Geblöke der Schafe. Gegen Abend kommen die Schafe näher ans Haus heran. Sie kommen, um zu weiden, und bleiben ein Weilchen in der Umgebung, laufen hin und her und knabbern die Pflanzen ab. Ich lausche den Windböen der Ostsee und dem Geblöke der Schafe und kacke noch ein bisschen. Konzentriere mich, bis ich alle Scheiße von mir gegeben habe, und lausche dem Knarren des Holzes und fühle mich ganz leer. Wie gut das tut.

12
    Ich lief durch das Birkenwäldchen, ohne den Boden zu berühren. Es war eine lange Strecke auf engen Brettern, die auf kleinen Pfählen lagen. Einen halben Meter unter den Brettern lag ein Sumpf mit viel schwarzem Wasser und Schlamm. Nur wenige Leute kamen hier entlang, und das Gras war hoch und dicht. Die Bretter waren kaum zu sehen, halb bedeckt von den Gräsern, und ich lief ziemlich schnell. Ich lief blindlings mit großer Geschwindigkeit, während ich die Gräser schob, und die Bretter erbebten unter meinen Füßen. Ich keuchte stark. Flüchtete vor etwas. Keine Ahnung, vor was. Es war nicht nötig, zu wissen. Ich bekam kaum Luft und lief doch immer schneller, bis ich daneben trat und in den Sumpf fiel. Ich versank in dem schwarzen kalten Schlamm. Ein bisschen strampelte ich, aber er war zu dick. Sanft sank ich bis zu den Schultern ein. Ich versuchte mich an den Brettern festzuklammern, aber es war nichts zu sehen. Ganz plötzlich brach die Nacht herein, und so allein verspürte ich eine entsetzliche Angst in der Dunkelheit, versunken in diesem ekelhaften, kalten Sumpf. Der Schlamm reichte mir bis zum Kinn, und ich sank immer tiefer. Ich konnte nicht schreien. Ich öffnete den Mund, hatte aber so große Angst, dass ich wie gelähmt und außerstande war, einen Ton von mir zu geben. Irgendwie schaffte ich es, die Arme aus dem Morast herauszuheben, und ich begann verzweifelt herumzufuchteln. In dem Moment wachte ich auf. Herumfuchtelnd. Ich stieß einen Schrei aus und war schließlich wach. Auch Agneta wachte auf. Ich hatte sie auf die Nase geschlagen. Sie setzte sich auf und jammerte zu meiner Linken: »O nein«, während sie sich zugleich an die Nase griff und versuchte, das Blut aufzuhalten. Ganz offensichtlich hatte ich ihr einen ordentlichen Schlag verpasst.
    »Habe ich dich geschlagen? Habe ich dir wehgetan?«
    »O ja, mehrmals. Viele Male.«
    Ich musste über sie lachen. Noch war ich zwar erschrocken über den Albtraum, aber ich musste doch kichern, als ich sie so sah, blutend und geprügelt. Das Schwein in uns kommt in den unerwartetsten Momenten zum Vorschein. Agneta ist so vorsichtig und führt eine so antiseptische Existenz, dass es ganz gut ist, wenn ihr mal etwas geschieht.
    Sie musste aufstehen. Jammernd. Watte suchend. Ich ging in die Küche und trank ein Glas Wasser. Es war schon Tag. Unerträglich. Um drei Uhr morgens wurde es hell. Und gegen elf Uhr abends wurde es dunkel. Ich gehe ins Bad. Uriniere. Gehe zurück ins Schlafzimmer. Agneta sitzt immer noch mit gesenktem Kopf und schluchzend im Sessel. Wäre sie Gloria, würde ich ihr noch eine Kopfnuss verabreichen und sie an Ort und Stelle durchvögeln, blutend, und ich würde ihr das Blut aussaugen wie Dracula, um den Geschmack in meinem Mund zu spüren. Gloria würde das entzücken, und sie würde mit mir zusammen durchdrehen und mich

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