Anita Blake 02 - Bllutroter Mond
»Entschuldigung, wir suchen nach Wanda«, sagte ich.
»Namen gibt's hier viele«, antwortete sie. »Ich kann alles, was diese Wanda auch kann, nur besser.« Sie trat ganz nah an Jean-Claude heran, fast auf Tuchfühlung. Er nahm ihre Hand und führte sie sacht an die Lippen. Dabei sah er mich an.
»Sie sind's, der es tut«, sagte sie. Ihre Stimme klang kehlig, sexy. Oder vielleicht war das die Wirkung, die Jean-Claude auf Frauen hatte. Vielleicht.
Die Frau schmiegte sich an ihn. Gegen die weiße Hemdspitze sah sie sehr dunkel aus. Ihre Fingernägel hatten ein leuchtendes Grün - wie Ostergras.
»Tut mir Leid, dass ich unterbrechen muss«, sagte ich, »aber wir haben nicht die ganze Nacht Zeit.« »Dann ist das nicht die, die Sie suchen?«, fragte er. »Nein.«
Er fasste sie beim Ellbogen und schob sie zur Seite. Sie sträubte sich ein wenig, griff in seine Ärmel und versuchte, ihn wieder an sich zu ziehen. Er hielt sie mühelos am ausgestreckten Arm von sich. So hätte er auch einen Laster halten können.
»Ich mach's dir umsonst«, flehte sie. »Was haben Sie mit ihr gemacht?«, wollte ich wissen. »Nichts.« Ich glaubte ihm nicht. »Nichts, aber sie bietet sich um sonst an.« Sarkasmus ist eines meiner Talente. Ich sorgte dafür, dass Jean-Claude ihn heraushörte. »Seien Sie still.« »Verbieten Sie mir nicht den Mund.« Die Frau stand vollkommen still. Die Arme hingen schlaff. Er hatte überhaupt nicht mit mir geredet.
Jean-Claude ließ sie los. Sie bewegte sich nicht. Er ging um sie herum, als wäre sie ein Spalt im Boden. Er nahm mich beim Arm, und ich ließ ihn. Ich beobachtete die Prostituierte, wartete auf eine Bewegung. Ihr gerader, fast nackter Rücken erzitterte. Die Schultern sanken herab. Sie warf den Kopf zurück und tat einen tiefen, bebenden Atemzug.
Jean-Claude zog mich, die Hand an meinem Ellbogen, sanft die Straße entlang. Die Prostituierte drehte sich um und sah uns. Ihr Blick blieb keinen Moment an uns haften. Sie erkannte uns nicht.
Ich schluckte so hart, dass es weh tat. Ich machte mich von Jean-Claudes Hand los. Er ließ es zu. Gut für ihn. Ich zog mich vor ein Schaufenster zurück. Jean-Claude stellte sich vor mich. »Was haben Sie mit ihr gemacht?« »Das sagte ich schon, ma petite, nichts.«
»Nennen Sie mich nicht so. Ich habe sie gesehen, Jean-Claude. Lügen Sie mich nicht an.«
Zwei Männer blieben bei uns stehen und sahen in das Schaufenster. Sie hielten sich an der Hand. Ich schaute in die Auslage und spürte die Röte meine Wangen hochsteigen. Da lagen Peitschen, Ledermasken, gepolsterte Handschellen und Dinge, für die ich nicht einmal eine Bezeichnung wusste. Einer flüsterte dem anderen etwas zu. Der Mann lachte. Der andere erwischte mich, wie ich ihn anstierte, und ich sah weg, schleunigst. In dieser Gegend ist Blickkontakt eine gefährliche Sache.
Ich wurde rot und hasste es. Die beiden Männer gingen weiter, Hand in Hand. Jean-Claude betrachtete die Auslage, als befände er sich auf einem Samstagnachmittag-Schaufensterbummel. Ungezwungen. »Was haben Sie mit der Frau gemacht?«
Er sah fasziniert durch die Scheibe. Ich konnte nicht genau sagen, welchem Ding seine Aufmerksamkeit galt. »Es war eine Achtlosigkeit, ma ... Anita. Ganz allein mein Fehler.«
»Was war Ihr Fehler?«
»Meine ... Kräfte sind größer, wenn mein menschlicher Diener bei `mir ist.« Darauf sah er mich an. Den Blick fest auf mein Gesicht geheftet. »Mit Ihnen an meiner Seite steigern sich meine Kräfte.«
»Moment mal, Sie meinen, wie bei der Hexe und ihrem Vertrauten?« Er legte den Kopf zur Seite, ein leichtes Lächeln glitt über sein Gesicht. »Ja, ganz ähnlich. Ich habe nicht gewusst, dass Sie etwas über Hexerei wissen.«
»Schwere Kindheit«, sagte ich. Ich hatte nicht die Absicht, mich vom Thema ablenken zu lassen. »Also ist Ihre Fähigkeit, Leute mit den Augen zu behexen, stärker, wenn ich bei Ihnen bin. So stark, dass Sie diese Prostituierte ohne Absicht behext haben.«
Er nickte. Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube Ihnen nicht.« Er zuckte die Achseln, bei ihm eine elegante Geste. »Glauben Sie, was Ihnen gefällt, ma petite. Es ist die Wahrheit.«
Ich wollte es nicht glauben. Denn wenn es stimmte, wäre ich in der Tat sein menschlicher Diener. Nicht durch mein Tun, sondern durch meine bloße Anwesenheit. Obwohl mir der Schweiß den Rücken hinunterlief, fror ich. »Scheiße«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher