Anita Blake 03 - Zirkus der Versammten
mich an. »Habe ich etwas falsch gemacht?« »Noch nicht«, sagte ich.
Er lächelte, ein kurzes Aufleuchten im Dunkeln. »Gut.« Er entriegelte die hintere Tür und stieg aus. Dann beugte er sich herein, hievte Stephen vom Rücksitz und sorgte dafür, dass die Decke nicht wegrutschte. Er hob mehr mit den Beinen als mit dem Rücken; das lernt man beim Gewichtheben. Ein erwachsener Mensch ist noch viel schwieriger zu heben als Gewichte. Er ist nicht ausbalanciert wie eine Kugelstange.
Richard warf die Tür mit dem Rücken zu. Sie rastete ein, und ich schnallte mich ab, um sie zu verriegeln. Durch die noch offene Beifahrertür beobachtete er mich. Über das Motorgeräusch hinweg hörte ich: »Wollen Sie die Buhmänner ausschließen?«
»Man kann nie wissen«, antwortete ich.
Er nickte. »Ja.« In dem einen Wort schwang etwas mit, das traurig, melancholisch klang, als hätte er seine Arglosigkeit eingebüßt. Es war schön, mit jemandem zu reden, der sich auskannte. Dolph und Zerbrowski kannten die Gewalt und die Nähe des Todes, aber sie kannten die Monster nicht.
Ich schloss die Tür und setzte mich hinter das Lenkrad. Dann schnallte ich mich an und legte den Gang ein. Die Scheinwerfer strichen über Richard, Stephens Haare leuchteten wie ein gelber Farbfleck. Richard schaute mir nach. Ich verließ ihn vor dem dunklen Haus, und außer dem Zirpen der Herbstgrillen gab es keinen Laut.
10
Es war kurz nach zwei, als ich vor meinem Apartmenthaus einbog. Ich hatte eigentlich längst im Bett liegen wollen. Die frische Brandwunde schmerzte höllisch. Die ganze Brust tat mir davon weh. Rippen und Magen fühlten sich wund an und steif. Ich schaltete das gelbe Licht der Deckenlampe ein und zog den Reißverschluss meiner Jacke herunter. Blaue Flecken überall. Eine Minute lang verstand ich nicht, woher ich sie hatte. Dann fiel mir das erdrückende Gewicht der Schlange ein und wie sie auf mich gekrochen war. Himmel. Ich hatte Glück, dass es nur blaue Flecken und keine Brüche waren.
Ich knipste das Licht wieder aus und zog mir den Reißverschluss zu. Die Riemen des Holsters scheuerten auf der Haut, aber die Brandwunde schmerzte so stark, dass die Blutergüsse und das Scheuern dagegen verflixt harmlos waren. Bei einer richtigen Brandwunde kann man an nichts anderes mehr denken.
Die Lampe im Treppenhaus war ausgefallen. Nicht zum ersten Mal. Ich würde den Hausmeister anrufen müssen, sobald er sein Büro öffnete. Was man nicht meldete, wurde auch nicht repariert.
Ich war schon drei Stufen gegangen, ehe ich den Mann sah. Er saß am Kopf der Treppe und wartete auf mich. Kurzes blondes Haar, das Gesicht im Dunkeln bleich. Seine Hände lagen auf den Knien, die Handflächen nach oben gerichtet, um zu zeigen, dass er keine Waffe hatte. Keine Waffe in der Hand hatte. Edward hatte immer eine Waffe, es sei denn, einer hatte sie ihm gerade weggenommen.
Ich übrigens auch, fiel mir ein. »Lange nicht gesehen, Edward.« »Drei Monate«, sagte er. »In der Zwischenzeit ist mein Arm ausgeheilt.«
Ich nickte. »Mir sind vor zwei Monaten die Fäden gezogen worden.« Er saß einfach da und schaute auf mich hinunter. »Was willst du, Edward?«
»Könnte es nicht sein, dass ich einfach mal bei dir vorbeischauen möchte?« Er lachte über mich, ganz im Stillen. »Es wäre besser für dich, wenn nicht; es ist zwei Uhr in der Nacht.«
»Wäre dir lieber, ich bin beruflich hier?« Seine Stimme war leise, aber deutlich.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, nein.« Mit Edward wollte ich beruflich bestimmt nicht zu tun haben. Er war spezialisiert auf das Töten von Lykanthropen, Vampiren und allem, was einmal ein Mensch gewesen war. Menschen zu töten war ihm langweilig geworden. Zu einfach.
»Bist du beruflich hier?« Meine Stimme klang fest, nicht zittrig. Gut für mich. Ich hätte die Browning ziehen können, aber sollten wir je ernsthaft gegeneinander die Pistole ziehen, würde er mich erschießen. Eine Freundschaft mit Edward war wie die Freundschaft mit einem gezähmten Leoparden. Sie können ihn streicheln, und er scheint Sie zu mögen, aber im Grunde Ihres Herzens wissen Sie, dass er Sie umbringt, wenn der Hunger oder der Zorn nur groß genug ist. Dass er Sie umbringt und Ihnen das Fleisch von den Knochen frisst.
»Heute nur Informationen, Anita, keine Schwierigkeiten.« »Welche Art Informationen?«, wollte ich wissen.
Er lächelte wieder. Der freundliche alte
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