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Anita Blake 03 - Zirkus der Versammten

Anita Blake 03 - Zirkus der Versammten

Titel: Anita Blake 03 - Zirkus der Versammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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konnte ihm nicht schaden.
     
    Ich schaute auf sein blasses Gesicht. Er sah mitgenommen
     
    aus. Er war der Schlange begegnet, einer kleinen Schlange in ihrer handelsüblichen Form zwar, aber wenn man die Gewalt einmal gesehen hat, ist man nie wieder der Alte. Das erste Mal, wo man sich entscheiden muss, leben oder sterben, wir oder die, das verändert einen für immer. Es gibt kein Zurück. Ich schaute in Larrys entsetztes Gesicht und wünschte, es wäre anders. Ich wünschte, ich hätte ihn so strahlend, frisch und hoffnungsvoll erhalten können. Aber wie meine Großmutter Blake zu sagen pflegte: »Wenn Wünsche Pferde wären, würden wir alle reiten.«
     
    Larry hatte seine erste Kostprobe von meiner Welt bekommen. Die Frage war nur, wollte er eine zweite Portion oder würde er davonlaufen? Rennen oder bleiben, sich zurückhalten oder kämpfen, uralte Fragen. Ich war nicht sicher, welche Entscheidung ich mir von ihm wünschte. Er mochte länger leben, wenn er sich entschieden von mir fern hielt, aber vielleicht auch gerade nicht. Kopf oder Zahl.
     
    21
     
    »Was ist mit meinem Wagen?«, fragte Larry. Ich zuckte die Achseln. »Sie sind doch versichert?« »Ja, aber ...« »Da sie uns nicht in die Mangel nehmen konnten, beschließen sie vielleicht, Ihren Wagen auseinander zu nehmen.«
     
    Er sah mich zweifelnd an, ob ich vielleicht einen Witz machte. Tat ich aber nicht.
     
    Plötzlich tauchte vor uns ein Fahrrad aus dem Dunkeln auf. Ein Kindergesicht leuchtete im Licht auf. »Vorsicht!«
     
    Larrys Blick schoss zurück auf die Straße. Ich sah in die aufgerissenen Augen eines Kindes. Die Bremsen quietschten, und das Kind verschwand aus dem schmalen Lichtkegel. Es folgte ein Knirschen und ein Stoß, ehe der Wagen schleudernd zum Stehen kam. Larry atmete heftig. Ich atmete überhaupt nicht.
     
    Der Friedhof verlief rechts neben uns. Wir waren noch zu nah, um anzuhalten, aber ... aber, Scheiße, das war ein Kind gewesen.
     
    Ich schaute durch die Heckscheibe. Das Fahrrad war ein Schrotthaufen. Das Kind ein stilles Häuflein. Lieber Gott, bitte lass es nicht tot sein.
     
    Ich glaubte nicht, dass Humans First genug Fantasie aufbrachte, um ein Kind als Köder zu benutzen. Wenn das eine Falle war, dann eine gute, denn ich konnte die kleine Gestalt nicht einfach an der Straße liegen lassen.
     
    Larry hielt das Lenkrad so fest gepackt, dass seine Arme schlotterten. Wenn ich vorher geglaubt hatte, er sei blass, hatte ich mich geirrt. Jetzt sah er aus wie ein kranker Geist.
     
    »Ist es ... verletzt?« Mit tiefer, heiserer Stimme presste er die Worte hervor, samt ein paar Tränen. Er hatte nicht »verletzt« sagen wollen. Er konnte sich nur nicht überwinden, das Wort mit dem kleinen t auszusprechen. Noch nicht, jedenfalls nicht, solange er es nicht musste.
     

»Bleiben Sie im Wagen«, sagte ich.
     
    Larry antwortete nicht. Er saß nur da und starrte auf seine Hände. Er wollte mich nicht ansehen. Aber, verdammt, es war nicht meine Schuld. Dass er heute Abend seine Unschuld verloren hatte, war auch nicht meine Schuld. Warum fühlte ich mich dann, als wäre es so?
     
    Ich stieg aus dem Wagen, die Browning schussbereit, für den Fall dass die Verrückten beschlossen hatten, uns die Straße entlangzujagen. Das Kind hatte sich noch nicht bewegt. Ich war noch zu weit weg, um zu sehen, ob sich die Brust hob und senkte. Nein. Ich war nur noch einen Schritt weit entfernt.
     
    Bitte sei am Leben.
     
    Das Kind lag auf dem Bauch, ein Arm darunter eingeklemmt, wahrscheinlich gebrochen. Ich blickte suchend über den dunklen Friedhof, während ich mich hinkniete. Keine rechtsextremen Irren strömten aus der Dunkelheit. Das Kind hatte die typische Kleine Jungen-Kleidung an: gestreiftes T-Shirt, kurze Hosen und winzige Joggingschuhe. Wer hatte ihn in Sommerkleidung in die kalte Nacht hinausgelassen? Seine Mutter. Hatte eine Frau ihn angezogen, ihn geküsst und zum Sterben rausgeschickt?
     
    Seine braunen Locken waren wie Seide, babyzart. Die Haut im Nacken fühlte sich kalt an. Ein Schock? Wenn er tot war, konnte er die Körperwärme noch nicht verloren haben. Ich wartete auf den Pulsschlag am Hals, aber nichts kam. Tot. Bitte, lieber Gott, bitte.
     
    Der junge hob den Kopf, und ein leises Geräusch kam aus seinem Mund. Am Leben. Danke, lieber Gott.
     
    Er versuchte, sich herumzudrehen, und sackte wieder auf die Straße. Er schrie auf.
     
    Larry war ausgestiegen und kam auf uns zu. »Ist er in Ordnung?« »Er lebt«,

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