Anita Blake 04 - Giergige Schatten
zu ärgern. »Ich weiß, mit wem ich gesprochen habe, Ms Blake.«
»Ich wollte nicht andeuten, dass Sie das nicht wissen, Officer. Ich meinte nur, dass Zerbrowski vielleicht durcheinander gebracht hat, wie weit mir der Zutritt zu dem, äh, Zeugen gestattet ist.«
»Ich habe mit dem Sergeant gesprochen, und ich weiß, was er mir gesagt hat. Sie gehen nicht rein, bevor er hier ist. So lauten meine Befehle.«
Ich wollte schon etwas Unfreundliches antworten, bremste mich aber. Officer Kirlin hatte Recht. Sie hatte e Befehle, und sie hatte nicht vor, davon abzurücken. Ich blickte auf ihr Namensschild. »Gut, Officer Kirlin. Ich werde um die Ecke im Wartezimmer warten.« Ich drehte mich um und entfernte mich, ehe ich noch etwas weniger Nettes sagte. Ich hätte mir gern energisch Zutritt erschafft, den vorgesetzten herausgekehrt, aber ich war einer. Das war so ein Augenblick, wo ich mit Gewalt daran erinnert wurde, dass ich Zivilistin war. Daran ließ ich mich nicht gern erinnern.
Ich setzte mich auf ein buntes Sofa, das vor einem bepflanzten Podest stand. Die brusthohen Pflanzen teilten den Raum in drei Teile und vermittelten die Illusion von Trennwänden. Und von Abgeschiedenheit, wenn man das brauchte. Oben an der Wand war ein Fernseher installiert. Es hatte sich noch niemand die Mühe gemacht, ihn einzuschalten. Es herrschte Krankenhausruhe. Das einzige Geräusch kam von der Heizung hinter einer Wandklappe.
Das Warten ging mir gegen den Strich. Jason wurde vermisst. War er tot? Wenn er noch lebte, wie lange noch? Wie lange würde Dolph mich warten lassen?
Dolph bog um die Ecke. Gott segne die gute Seele, er hatte mich überhaupt nicht lange warten lassen.
Ich stand auf. »Officer Kirlin sagt, dass Sie ihr gegenüber eine vermisste Person erwähnt haben. Halten Sie etwas vor mir zurück?«
»Ja, aber nicht aus eigenem Entschluss. Ich habe einen Klienten, der sich nicht an die Polizei wenden will. Ich habe versucht, ihn vom Gegenteil zu überzeugen ... « Ich zuckte die Achseln. »Nur weil ich Recht habe und er Unrecht, heißt das nicht, dass ich seine Geheimnisse ohne vorherige Absprache ausplaudern kann.«
»Es gibt kein Sonderrecht zwischen Animator und Klient, Anita. Wenn ich um eine Information bitte, sind Sie gesetzlich verpflichtet, sie mir zu geben.« »Oder?« Ich hatte zu wenig geschlafen, um das einfach wegzustecken. »Oder Sie gehen ins Gefängnis wegen Behinderung der Justiz.« »Schön, gehen wir«, sagte ich. »Reizen Sie mich nicht, Anita.«
»Hören Sie, Dolph, ich werde Ihnen alles erzählen, was ich weiß, sobald ich das Okay habe. Vielleicht sage ich es Ihnen sowieso, weil mein Klient dumm ist, aber ich sage gar nichts, wenn Sie mich unter Druck setzen.«
Er atmete hörbar ein und langsam wieder aus. »Schön, sprechen wir jetzt mit unserem Zeugen.«
Ich bemerkte dankbar, dass der Naga noch immer »unser« Zeuge war. »Ja, gehen wir.« Dolph schob mich aus dem Warteraum. Wir gingen schweigend den Flur entlang. Aber es war ein freundliches Schweigen. Nicht nötig, es mit leerem Geschwätz oder Entschuldigungen zu überbrücken.
Ein Arzt im weißen Kittel, der sich sein Stethoskop wie eine Federboa über die Schulter drapiert hatte, öffnete die Tür. Officer Kirlin stand auf ihrem Posten, stets wachsam. Sie bedachte mich mit einem bestens gelungenen stählernen Blick. So etwas braucht Übung. Wenn man klein und blond und noch dazu Polizistin ist, muss man wenigstens versuchen, hart auszusehen.
»Er kann nur für ganz kurze Zeit sprechen. Es ist ein Wunder, dass er noch am Leben ist, geschweige denn reden kann. Ich werde das Verhör beaufsichtigen. Wenn er sich aufregt, werde ich das Gespräch beenden.«
»Ich habe nichts dagegen, Dr. Wilburn. Er ist ein Opfer und Zeuge, kein Verdächtiger. Wir meinen es nicht böse mit ihm.«
Der Arzt wirkte nicht restlos überzeugt, aber er trat zur Seite und hielt uns die Tür auf.
Dolph ragte hinter mir auf. Er war wie eine unverrückbare Macht in meinem Rücken. Ich konnte verstehen, warum der Arzt dachte, wir könnten den Zeugen unter Druck setzen. Dolph konnte nicht harmlos wirken, selbst wenn er es versuchte, also versuchte er es erst gar nicht.
Der Naga lag im Bett voller Schläuche und Drähte. Seine Haut wuchs bereits nach. Man konnte erkennen, wie sie sich in rohen, schmerzhaften Flecken ausbreitete, sie kehrte tatsächlich zurück. Er sah noch aus, als hätte man ihn lebendig gekocht, aber es war eine Verbesserung.
Er wandte uns den Blick
Weitere Kostenlose Bücher