Anita Blake 04 - Giergige Schatten
was stimmt nicht?«
Ich stand da und blickte auf ihn hinunter, hielt mich dabei an seinen Schultern fest und war noch immer zu nah, um klar denken zu können. Ich zog mich zurück, und er ließ mich los. Ich stützte mich auf die Küchenzeile und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.
Ich überlegte, suchte nach dem einen großen Wort für den jahrelangen Schmerz. »Ich bin immer ein braves Mädchen gewesen. Ich bin nicht durch die Betten gehüpft. Auf dem College habe ich einen kennen gelernt, wir haben uns verlobt, wir setzten ein Datum fest, wir liebten uns. Er ließ mich fallen.«
»Das hat er alles getan, um dich ins Bett zu kriegen?«
Ich schüttelte den Kopf und drehte mich zu ihm um. Er saß noch halb nackt da und sah toll aus. »Seine Familie hat mich abgelehnt.« »Warum?«
»Seiner Mutter gefiel nicht, dass meine Mutter Mexikanerin war.« Ich lehnte mich an den Schrank und schlang die Arme um meinen Oberkörper. »Er liebte mich nicht genug, um sich gegen seine Familie zu stellen. Er hat mir in vielerlei Hinsicht gefehlt, aber eben auch körperlich. Ich habe mir vorgenommen, so etwas nie wieder geschehen zu lassen.«
»Du wartest auf die Heirat«, sagte er. Ich nickte. »Ich begehre dich, Richard, heftig. Aber ich kann nicht. Ich habe mir geschworen, mich nie wieder so verletzen zu lassen.«
Er stand auf und kam zu mir. Er stand dicht vor mir, machte aber keinen Versuch, mich anzufassen. »Dann heirate mich.« Ich sah ihn an. »Ja, klar.«
»Doch, ich meine es ernst.« Er nahm mich sacht bei den Schultern. »Ich habe schon vorher daran gedacht, dich zu fragen, aber ich hatte Angst. Du hattest noch nicht gesehen, was ein Lykanthrop tun kann, wie wir sein können. Ich wusste, du musst es sehen, ehe ich dich fragen kann. Aber ich habe zugleich gefürchtet, dass du es sehen würdest.«
»Ich habe noch nicht erlebt, wie du dich verwandelst«, sagte ich. »Ist das notwendig?« »Wenn ich hier so stehe, nein, aber wenn wir es ernst meinen und realistisch sind, vielleicht doch.« »Jetzt?«
Ich sah zu ihm auf, während ich die Arme um ihn legte Ich ließ mich gegen ihn sinken und schüttelte den Kopf, meine Wangen streiften seine nackte Brust. »Nein, nicht jetzt. »
Er küsste mich auf den Scheitel. »Heißt das ja?« Ich hob den Kopf und sah ihn an. »Ich sollte nein sagen.« »Warum?« »Weil das Leben dafür zu kompliziert ist.« „Das Leben ist immer kompliziert, Anita. Sag ja.«
»ja.«
Noch im selben Augenblick wollte ich es zurücknehmen. Ich begehrte ihn sehr. Ich liebte ihn sogar mehr als nur ein bisschen. Verdächtigte ich ihn, Rotkäppchen gefressen zu haben? Himmel, er konnte sich nicht einmal überwinden, den großen, bösen Wolf zu töten. Von uns beiden würde ich am ehesten Leute umbringen.
Er küsste mich, drückte mich an sich. Ich rückte so weit von ihm ab, dass ich atmen konnte, und sagte: »Keinen Sex heute Abend. Die Regel gilt noch.«
Er beugte sich herab und sagte auf meinen Lippen: »Ich weiß.«
18
Ich kam zu spät zu meinem ersten Zombie- Termin. Welche Überraschung. Dadurch kam ich auch bei den zwei anderen zu spät. Es war 2:03, als ich in Edwards Hotelzimmer ankam.
Ich klopfte. Er öffnete und trat beiseite. »Du kommst spät.«
»Ja«, sagte ich. Das Zimmer war hübsch, aber durchschnittlich. Ein einzelnes, überbreites Bett, Nachttisch, zwei Lampen, ein Schreibtisch an der Wand gegenüber. Die Vorhänge vor den zimmerbreiten Fenstern waren zugezogen. Das Licht im Bad brannte, die Tür stand offen. Die Schranktür stand zur Hälfte offen, zeigte, dass er seine Kleidung aufgehängt hatte. Er hatte vor, eine Weile zu bleiben.
Der Fernseher lief ohne Ton. Ich war überrascht. Edward sah nie fern. Auf dem Fernseher stand ein Videorekorder. Das war keine übliche Hotelausstattung. »Willst du etwas vom Zimmerservice, bevor wir anfangen?« »Eine Cola wäre schön.«
Er lächelte. »Du hast immer so erlesene Wünsche, Anita.« Er ging zum Telefon und bestellte. Er bat um ein Steak, englisch, und eine Flasche Burgunder.
Ich zog den Mantel aus und legte ihn über den Schreibtischstuhl. »Ich trinke nie«, erklärte ich. »Ich weiß», sagte er. »Möchtest du dich frisch machen, während wir auf das Essen warten?«
Ich blickte auf und sah mich im fernen Badezimmerspiegel, in meinem Gesicht klebte angetrocknetes Hühnerblut in einem ekligen Ziegelrot. »Ich sehe, was du meinst.«
Ich schloss die Tür hinter mir und besah mich im Spiegel. Das Licht war
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