Anita Blake 05 - Bleich Stille
sie.
»Du hast deinen Standpunkt klar gemacht. Nun sei ein Gentleman.«
Jean-Claude holte so tief Luft, dass ich ihn ausatmen hörte. Er bot ihr seinen Arm, sie schob die Hand hindurch und legte sie auf sein Handgelenk.
Die Geister kamen wie ein großes Gefolge hinter ihr herabgeschwebt, streiften unsere Haut, dass es prickelte, dann fuhren sie aufwärts und blieben drei Meter über dem Boden schweben.
»Du darfst mit uns gehen«, sagte Serephina. »Sie werden dich nicht belästigen.« »Wie beruhigend«, sagte ich.
Sie lächelte darüber. Im Mondschein und dem geisterhaften Leuchten war es schwer zu unterscheiden, aber ihre Augen waren bleich, vielleicht hellgrau, vielleicht bläulich. Aber es lag nicht an der Farbe, wenn man ihren Blick nicht mochte.
»Ich habe mich auf unsere Begegnung gefreut, Totenbeschwörerin.« »Ich wünschte, ich könnte dasselbe sagen.«
Ihr Lächeln wurde breiter, dann verblasste es. Ihre Lippen bewegten sich dabei nicht. Es war, als hätte sie eine gut gemachte Maske auf. Ich hob den Blick zu ihren Augen, nur für einen Moment. Sie versuchte nicht, mich hineinzusaugen, aber da war eine Kraft in ihnen, ein tiefes Brennen, das wie ein eingedämmtes Feuer gegen ihre Außenhülle schlug. Es brauchte nur ein Scheit einzubrechen, und die Flammen würden heraus züngeln und uns alle verbrennen. Ich konnte ihr Alter nicht schätzen, sie verhinderte das. Ich war noch keinem begegnet, der mich daran hindern konnte - mir vortäuschen, er sei jünger, ja, aber nicht mich davon abhalten, indem er mich anstarrte.
Sie wandte sich ab und ging durch die Tür. Jean-Claude half ihr die Stufen hinauf, als hätte sie das nötig. Das leichte Distanzempfinden durch den Blutverlust nahm ab, ich fühlte mich echt und lebendig und wollte, dass es so blieb. Vielleicht lag es an Jasons warmer Hand, an seiner verschwitzten Handfläche, an seiner Echtheit. Ich hatte plötzlich Angst, und dabei hatte sie mir noch gar nichts getan.
Die Geister strömten ins Haus, einige durch die Tür, andere durch die Wände. Wenn man sah, wie sie aus dem Holz wieder herauskamen, rechnete man mit einem Geräusch wie von einem Korken, aber es blieb alles still. Die Untoten machen kein Geräusch.
Die Geister hüpften unter der Decke entlang wie Heliumballons, flossen die Wand hinter dem Thron herab wie milchiges Wasser. In der Nähe der Kerzenflammen waren sie durchsichtig wie Seifenblasen.
Serephina setzte sich auf ihren Thron in der Ecke. Magnus schmiegte sich zu ihren Füßen in die Kissen. In seinen Augen blitzte ein Zorn auf und verging. Er genoss es nicht, ihr Gespiele zu sein. Dafür bekam er von mir einen Extrapunkt ins Buch.
»Komm und setz dich zu mir, Jean-Claude«, sagte Serephina. Sie deutete auf die Kissen gegenüber von Magnus. Die beiden hätten ein interessantes Paar abgegeben. ,»Nein«, sagte Jean-Claude. Das eine Wort war Warnung genug. Ich ließ ganz langsam Jasons Hand los. Wenn wir tatsächlich kämpfen sollten, würde ich beide Hände brauchen.
Serephina lachte, und mit diesem Klang brach ihre Macht hervor und prallte gegen uns arme Menschen. Wie mit trampelnden Hufen ritt sie über mich hinweg. Mein ganzer Körper bebte davon. Mein Mund war zu trocken zum Schlucken, ich konnte nicht einmal richtig Luft holen. Serephina brauchte mich nicht anzufassen, um mir etwas zu tun. Sie konnte auf ihrem Thron sitzen bleiben und ihre Macht gegen mich schleudern. Sie konnte mir aus hübsch sicherer Entfernung die Knochen zu Staub zermalmen.
Jemand fasste mich am Arm. Ich zuckte zusammen und drehte mich um, und es fühlte sich an wie in Zeitlupe. Es war schwer, Jean-Claudes Gesicht genau anzusehen, aber als es mir gelang, zog sich die Macht zurück wie das Meer bei Ebbe.
Ich holte tief und zitternd Luft, dann gleich noch einmal, und jeder Atemzug wurde sicherer. »Illusion«, flüsterte ich. »Eine Scheißillusion.« »Ja, ma petite.« Er ging zu Larry und Jason, die noch in ihrem Bann standen.
Ich sah zum Thron. Die Geister hatten einen leuchtenden Nimbus um sie gebildet. Höchst beeindruckend. Aber längst nicht so beeindruckend wie ihre Augen. Ich hatte nur einen kurzen Blick gewagt, und der schien immer weiterzuwirken, darum starrte ich auf den Saum ihres Kleides so konzentriert wie es ging.
»Kannst du meinem Blick nicht begegnen?« Ich schüttelte den Kopf. »Nein.« »Kannst du wirklich ein so machtvoller Totenbeschwörer sein, wenn du
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