Anita Blake 07 - Dunkle Glut
persönlich begrüßen. Das ist die Visitenkarte des Dompteurs. Wie gefällt sie euch?« Sie klang eifrig und unangenehm raubtierhaft. Was zum Teufel hing da an der Tür?
Selbst aus der Nähe konnte ich nicht erkennen, was es war. Herunter getropftes Blut hatte auf der Tür dünne Streifen hinterlassen. Der süße metallische Geruch schwängerte die schale Luft. Das Ding war dünn wie Papier und sah aus wie Plastik. Es rollte sich an den Rändern ein und zog an den fünf Nägeln.
Plötzlich kam mir ein furchtbarer Gedanke. Er war so entsetzlich, dass meine Augen nichts erkennen wollten.
Ich wich drei Schritte zurück und versuchte die Umrisse zu begreifen. Da: der Armansatz, der Beinansatz, Schultern. Es war die Haut eines Menschen. Als ich es einmal begriffen hatte, konnte ich nicht mehr aufhören, sie zu sehen. Ich wusste, das Bild würde mich verfolgen, wenn ich nach dieser Nacht die Augen zumachte. Das Bild dieser dünnen gespannten Haut, die einem Menschen gehörte.
»Wo sind die Arme und Beine?«, fragte ich. Meine Stimme klang fremd, fern, fast unbeteiligt. Doch es kribbelte mir bis in die Fingerspitzen vor Entsetzen.
»Es ist nur der Rücken, nicht die ganze Haut, ma petite. Es ist schwierig, Finger und Zehen zu häuten, wenn sich das Opfer noch wehrt«, antwortete Jean-Claude betont ausdruckslos.
»Wehrt? Du meinst, er hat noch gelebt?« »Dafür bist du die Expertin, ma petite.« »Bei einem Toten gäbe es nicht so viel Blut«, sagte ich. »Ja, ma petite.«
Er hatte recht. Ich wusste das. Aber der Anblick einer an die Tür genagelten Menschenhaut hatte mich umgehauen. Selbst ich hatte so etwas noch nicht gesehen. »Großer Gott, bedeuten die Silbernägel, dass das Opfer ein Vampir oder ein Lykanthrop gewesen ist?«
»Höchstwahrscheinlich«, sagte Jean-Claude. »Heißt das, dass derjenige noch lebt?«
Er sah mich an. Er brachte einen Blick zustande, der nichtssagend und zugleich beredt war. »Das Opfer hat noch gelebt, als die Haut entfernt wurde. Ob Vampir oder Lykanthrop, die bloße Entfernung der Haut dürfte nicht zum Tod geführt haben.«
Ein Schauder durchfuhr mich vom Scheitel bis zu den Fußsohlen. Das war Grauen. Grauen über die Beiläufigkeit, die Gefühllosigkeit der Tat. »Asher hat einen Padma erwähnt. Ist das der Tierbändiger?« »Der Dompteur«, erklärte Jean-Claude. »Nur für diese taktlose Tat kannst du ihn nicht töten, ma petite.«
»Da irrst du dich.« Das Grauen saß mir unter der Haut wie eine Eisschicht, aber darüber brannte eine mörderische Wut. Und dazwischen saß die Angst. Angst vor einem, der noch jemandem die Haut abziehen könnte, nur um sich Nachdruck zu verleihen. Das sagte mir einiges über die Person. Zum Beispiel, dass derjenige kaum Spielregeln hatte. Und vor allem, dass ich ihn töten sollte, sobald ich ihn zu Gesicht bekam.
»Wir können ihn heute Nacht nicht dafür bestrafen, ma petite. Heute Nacht geht es nur um unser Überleben. Vergiss das nicht und halte deine Wut im Zaum.«
Ich starrte auf das Ding an der Tür. »Die Wut liegt schon lange hinter mir.« »Dann deinen Zorn. Wir müssen unsere Leute retten.« »Wenn sie noch leben.« »Als ich nach oben kam, um draußen auf euch zu warten, haben sie noch gelebt«, sagte Liv. »Wessen Haut ist das?«, fragte ich.
Sie lachte, und wie immer gellend. Alles heile, alles bestens. »Rate mal«, spottete sie. »Wenn du richtig rätst, sag ich's dir, aber nur wenn du richtig rätst.«
Ich musste mich schwer zusammenreißen, um nicht die Browning auf sie zu richten. Ich schüttelte den Kopf. »Keine Spielchen, Liv, nicht mit Ihnen. Wir fangen erst zu spielen an, wenn wir da unten angekommen sind.«
»Ganz recht, ma petite. Lass uns nach unten gehen.«
»Nein«, sagte Liv. »Nein, sie soll raten. Sie soll raten, wer das ist. Ich will ihr Gesicht sehen. Ich will den Schmerz in deinen Augen sehen, wenn du deine Freunde nacheinander durchgehst, Anita. Ich will sehen, wie sich das Grauen auf deinem Gesicht spiegelt, während du dir vorstellst, was ihnen passiert ist.«
»Was habe ich Ihnen eigentlich getan, Liv?« »Du stehst mir im Weg«, sagte sie. Ich legte auf sie an. »Drei Minuspunkte und Sie sind draußen, Liv.« Sie runzelte die Stirn. »Was redest du da?«
»Der Verrat war eins. Meinen Verstand in Ihre Gewalt zu bringen war zwei. Das war zum Teil meine eigene Schuld, darum hätte ich es durchgehen lassen, aber Sie haben
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