Anita Blake 08 - Göttin der Dunkelheit
hinauf geflüchtet. Die noch da waren, kauerten um ihre Göttin, ich glaube, um sie vor uns abzuschirmen. Ich blinzelte durch die Helligkeit und meinte in ein oder zwei Gesichtern Angst zu sehen. Das sieht man nicht oft bei Vampiren, wenn etliche hundert Jahre zusammenkommen. Vielleicht lag es an dem Kreuz, aber das glaubte ich eigentlich nicht. Ich steckte es wieder ins T-Shirt. Es war so kühl wie immer. Erst bei der Berührung mit Vampirhaut brannte es. Dann fing es tatsächlich Feuer und verbrannte außer dem Vampir auch die Menschenhaut, die es zufällig berührte. Gewöhnlich schreckte der Vampir zurück, bevor man sich eine Verbrennung zweiten Grades holte, sodass ich von meinen Kreuzen bisher noch keine Brandnarbe bekommen hatte.
Die Vampire scharten sich um ihre Gebieterin, und mindestens einem war die Angst noch anzusehen. Das Kreuz konnte sie in Schach halten, aber das war es nicht, was sie fürchteten. Ich blickte auf die Leiche. Die Eintrittsöffnung war ein kleines rotes Loch mit schwarzen Brandflecken drum herum, aber die Austrittsöffnung war fast dreißig Zentimeter groß. Von dem Kopf war nur noch der Unterkiefer und der Schädelrand übrig. Der Rest war über den Boden verspritzt.
Edward bewegte den Mund, und der Ton kam in einer Art Doppler-Verschiebung, sodass ich nur die zweite Hälfte des Satzes hörte. ». .. nition benutzt du gerade?« Ich sagte es ihm.
Er kniete sich neben die Leiche und besah sich die Brustwunde. » Ich dachte, die Hornady XTPs sollen nicht so eine Schweinerei machen.« Alles klang noch, als wäre es weit weg, aber immerhin hörte ich wieder. Das hieß, dass sich mein Gehör normalisieren würde. »Dann haben sie sie wohl nicht mit Schüssen aus kürzester Entfernung getestet.« »Das ist ein ganz hübsches Loch.« »Vorne wie ein Penny, hinten wie eine Pizza.«
»Ihr habt Fragen zu den Mordfällen?«, sagte Obsidianschmetterling. »Dann stellt sie.«
Sie stand noch zwischen ihren Leuten, nun aber ungeschützt. Ich wusste nicht, ob sie zu dem Schluss gekommen war, dass wir sie nicht erschießen würden, oder ob sie dachte, es sei feige, sich hinter den anderen zu verstecken, oder ob wir irgendeinen Test bestanden hatten. Aber wenn sie bereit war, meine Fragen zu beantworten, würde ich meine Chance nutzen.
Dallas und Olaf standen ein Stück abseits. Sie barg das Gesicht an seiner Brust, und er hielt sie tröstend im Arm, damit sie den blutigen Schlamassel am Boden nicht sehen musste. Er blickte auf sie runter wie auf etwas Kostbares. Nicht mit Liebe, mehr wie ein Mann sein Traumauto betrachtet, das er gern besitzen würde. Er sah sie an wie ein hübsches Ding, das er sich gewünscht, aber nicht geglaubt hatte zu bekommen. Er strich ihr übers Haar, ließ immer wieder den Pferdeschwanz durch seine Finger gleiten und sah zu, wie er ihren Rücken hinunterglitt.
Ich war nicht die Einzige, die ihn beobachtete. »Cruz, bring die Professorin nach oben. Ich meine, sie hat für einen Abend genug gesehen.«
Ein kleiner Vampir, der sehr lateinamerikanisch aussah, ging zu ihnen, doch Olaf sagte: »Ich bringe sie nach oben.« »Nein«, sagte Edward. »Ich denke nicht«, stimmte ich ihm zu. »Das ist nicht nötig«, entschied Itzpapalotl.
Wir drei tauschten einen Blick. Auch wenn ich nicht direkt in ihre Augen sah, fand eine stumme Verständigung statt. Olaf musste von Dallas fernbleiben. Vielleicht ein oder zwei Staaten.
Cruz zog Dallas aus Olafs widerstrebenden Armen und geleitete die weinende Frau zur Treppe, weg von dem Horror, den wir auf dem Boden angerichtet hatten. Obwohl wir nichts weiter getan, ihn nur getötet hatten. Itzpapalotl hatte ihn hungern lassen, bis er einem glühenden Kreuz trotzte, um sich zu sättigen. Bis er sich von zwei Menschen die Pistole auf die Brust setzen ließ und nicht einmal versuchte, einem Schuss zu entgehen. Das Verlangen, die Zähne in menschliches Fleisch zu schlagen, war größer gewesen als der Wunsch zu leben. Normalerweise habe ich kein Mitleid mit Vampiren, die versuchen, an mir zu saugen, besonders nicht ohne Erlaubnis, aber diesmal machte ich eine Ausnahme. Er war bemitleidenswert gewesen. Jetzt war er tot. Aber Mitleid hatte mich noch nie davon abgehalten, abzudrücken, und Edward kannte gar kein Mitleid. Ich konnte auf die Überreste des abgemagerten Körpers gucken und denken: der Ärmste. Aber sein Tod bedeutete mir nichts. Ich fühlte nicht nur kein Bedauern, ich fühlte überhaupt
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