Anita Blake 08 - Göttin der Dunkelheit
herumsprechen.«
»Was immer hier gesprochen wird, bleibt in diesem Raum. Niemand hier wird mit jemand anderem reden. Das kann ich versprechen.« Sie war sich ihrer vollkommen sicher, arrogant. Aber warum nicht? Ihre Leute hatten alle Angst vor ihr. Wenn das mit Diego alltäglich war, wie sahen dann erst die bizarren Praktiken aus . Wenn sie bestimmte, dass ein Geheimnis zu wahren war, dann wurde es gewahrt.
Edward trat dicht an mich heran. Er senkte die Stimme, machte sich aber nicht die Mühe zu flüstern. »Bist du dir sicher?->ja, Edward. Ohne ausreichende Informationen kann sie
uns nicht helfen.« Ein paar Sekunden lang sahen wir uns an, dann nickte er leicht. Ich drehte mich zu den wartenden Vampiren. »Also gut«, sagte ich und erzählte von den Verstümmelten und den Toten.
Ich weiß nicht, was ich erwartete, vielleicht dass sie angenehm erregt wäre oder das schuldige Monster sofort erkennen würde. Stattdessen bekam ich ernste Aufmerksamkeit, gute Fragen an der richtigen Stelle und einen flüchtigen Blick auf einen sehr intelligenten Kopf hinter all diesen Machtspielen. Wäre sie nicht größenwahnsinnig und sadistisch gewesen, man hätte sie glatt mögen können.
»Für Xipe Totec und Tlazolteotl ist die Haut von Menschen kostbar. Die Priester häuteten das Opfer und trugen die Haut. Das Herz hatte für die Götter vielfachen Nutzen. Auch das Fleisch wurde genutzt, zumindest einiges. Manchmal fand man im Innern des Opfers etwas Ungewöhnliches, was als Omen galt. Dann wurden die Organe eine Zeit lang aufbewahrt und studiert, aber das war selten.«
»Haben Sie eine Vermutung, warum man ihnen die Zunge herausgeschnitten hat?« »Damit sie nicht verraten können, was sie gesehen haben.« Dabei klang sie, als sei das ganz selbstverständlich der Grund. Vom rituellen Standpunkt leuchtete das vielleicht ein.
»Warum die Entfernung der Augenlider?« »So können sie die Augen nicht vor der Wahrheit verschließen, auch wenn sie sie nicht mehr sagen können. Ich weiß nicht, ob das die Gründe des Täters waren.«
»Warum würde jemand sekundäre Geschlechtsmerkmal, entfernen?«
»Ich verstehe nicht«, sagte sie und hielt ihren Umhang fester geschlossen, als wäre ihr kalt. Wir sprachen so lange miteinander, dass ich mich immer wieder ermahnen musste, ihr nicht direkt in die Augen zu sehen. »Bei den Männern wurden die Genitalien, bei den Frauen die Brüste abgenommen.«
Sie schauderte, und ich erfuhr etwas Neues. Itzpapalotl, die Göttin der Obsidianklinge, fürchtete sich. »Das erinnert an die Dinge, die die Spanier unseren Leuten angetan haben.« »Aber das Häuten und Entfernen der Organe ist eher aztekisch als europäisch.«
Sie nickte. »Ja, aber unsere Opfer waren Boten für die Götter. Wir haben nur für heilige Zwecke Schmerzen bereitet, nicht aus Grausamkeit oder aufgrund einer Laune. Alles Blut war heilig. Wer von der Hand eines Priesters starb, wusste, dass sein Tod einem größeren Zweck diente. Er brachte Regen herbei, ließ den Mais wachsen, die Sonne am Himmel aufsteigen. Ich weiß von keinem Gott, der Menschen häuten und sie am Leben lassen würde. Der Tod ist notwendig, damit der Bote zu den Göttern gelangt. Der Tod gehört zur Verehrung. Die Spanier lehrten uns das Töten um des Tötens willen, nicht als heilige Pflicht, sondern zur Stillung der Blutgier.« Sie blickte an mir vorbei zu den vier Frauen, die geduldig darauf warteten, von ihr beachtet zu werden, eine Aufgabe zu bekommen. »Wir haben ihre Lektion gut gelernt, aber ich wäre lieber in einer Welt geblieben, wo das nicht so ist.« Ich sah ihr an, dass sie durchaus wusste, was sie verloren hatte, was ihre Vampire verloren hatten, als sie beschlossen, genauso grausam zu werden wie ihre Feinde. »Die Spanier töteten so viele aus unserem Volk an der Straße nach Acachinanco, dass sie sich wegen des Gestanks der Verwesenden Taschentücher um die Nase binden mussten.«
Dabei sah sie mich an, und der Hass in ihren Augen brannte mir auf der Haut. Noch nach fünfhundert Jahren hegte sie Groll. Man muss es bewundern, wenn jemand so lange seinen Hass bewahren kann. Und ich hatte geglaubt, ich sei nachtragend. In mir war Raum zur Versöhnung. In Itzpapalotl war nur Raum für eines: Hass. Seit über fünfhundert Jahren war sie über etwas zornig. Und ebenso lange bestrafte sie dafür. Es war beeindruckend, auf eine psychotische Art.
Ich wusste nicht wesentlich mehr über die
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