Anita Blake 08 - Göttin der Dunkelheit
meinst, wir können nicht gut mit einander.« »Das kann ich fast garantieren.« Die Tür ging auf, und unsere Unterhaltung brach abrupt ab.
Ich war gespannt, ob uns der gefürchtete Olaf aufmachte. Der Mann im Eingang sah nicht wie ein Olaf aus, aber warum sollte er nicht trotzdem so heißen?
Ich schätzte ihn auf eins dreiundachtzig. Er war in ein weißes Bettlaken gehüllt, das er an der Taille mit einer Hand zusammenhielt. Es schleifte über den Boden wie ein Abendkleid, aber das war's auch schon mit der Förmlichkeit. Er war schlank und muskulös und hatte einen hübschen Waschbrettbauch, dazu ein schönes gleichmäßiges Braun, das seine natürliche Hautfarbe war, denn er war Indianer. Oh ja, das war er. Seine Haare, die über die Schulter nach vorn gefallen waren, waren glänzend schwarz und reichten bis zur Hüfte. Sie waren ein bisschen vom Schlafen zerzaust, obwohl es noch zu früh war, um sich ins Bett zu legen. Er hatte eine weiche, dreieckige Gesichtsform, breite Lippen und ein Grübchen am Kinn. Wäre es rassistisch zu sagen, dass er mehr Züge von einem Weißen als von einem Indianer hatte, oder wäre es einfach nur wahr?
»Du kannst den Mund jetzt zumachen«, raunte Edward mir ins Ohr.
Ich tat es. »Entschuldigung«, murmelte ich. Wie peinlich. Normalerweise starre ich Männer nicht an, zumindest keine fremden. Was war nur heute mit mir los?
Der Mann raffte das Laken über den freien Arm, sodass er die zwei Stufen zu uns herunterkommen konnte. »Tut mir leid, ich habe geschlafen, sonst wäre ich längst an der Tür gewesen.« Er schien sich in seinem Laken völlig wohl zu fühlen. Aber da er uns einen Koffer abnehmen wollte, kostete es ihn einige Mühe, die Schleppe über denselben Arm zu legen, mit dem er das Laken zusammenhielt.
»Bernardo Schneller Schecke, Anita Blake.«
Bernardo hielt das Laken in der rechten Hand und machte ein leicht erstauntes Gesicht, während er den Koffer abstellte, um alles in die andere Hand zu nehmen. Das Laken glitt auseinander, und ich musste hastig weggucken.
Ich ließ den Kopf zur Seite gedreht, denn ich wurde rot und wollte mein Gesicht erst mal im Dunkeln lassen. Ich winkte ab. »Wir können uns später die Hand schütteln, wenn du wieder etwas anhast.«
»Du hast dich vor ihr entblößt.« Edwards Stimme. Klasse, alle hatten es mitgekriegt. »Tut mir leid«, sagte Bernardo, »ehrlich.« »Wir nehmen das Gepäck«, sagte ich, »geh du dich anziehen.«
Ich spürte jemanden dicht hinter mir, und ich wusste nicht, wieso, aber ich war mir sicher, dass es nicht Edward war. »Du bist schamhaft. Nach Edwards Schilderung hatte ich vieles erwartet, aber keine Schamhaftigkeit.«
Ich drehte mich langsam herum. Er stand zu nah, vertraulich nah. Ich sah ihn böse an. »Und was hast du erwartet? Die Hure Babylon?« Ich war peinlich berührt, und das machte mich ärgerlich. Der Ärger war mir anzuhören.
Sein Lächeln zog sich ein wenig zusammen. »Das sollte keine Beleidigung sein.« Dabei hob er eine Hand, wie um meine Haare zu berühren. Ich trat außer Reichweite. »Was soll das Betatschen?« »Ich habe gesehen, wie du mich in der Tür angestarrt hast.«
Hitze flutete über mein Gesicht, aber diesmal drehte ich mich nicht weg. »Wenn du wie ein Playgirl-Klappposter an die Tür kommst, brauchst du dich nicht zu wundern. Aber mach nicht mehr daraus, als es ist. Du siehst sehr gut aus, aber wenn du dich so aufdrängst, ist das für keinen von uns beiden schmeichelhaft. Entweder bist du eine Hure oder du hältst mich für eine. Ersteres will ich gern glauben, letzteres ist ganz gewiss nicht der Fall.« Ich trat nah an ihn heran, zornig, inzwischen ohne Röte. »Also halte Abstand.«
Jetzt war er verunsichert. Er wich zurück, bedeckte sich soweit es ging mit dem Laken und verbeugte sich. Es war eine altmodische, höfliche Geste, die er nicht zum ersten Mal anwandte, und sie war ernst gemeint. Es sah nett aus, wie seine Haare dabei nach vorn fielen, aber das hatte ich schon schöner gesehen. Was allerdings ein halbes Jahr her war.
Sein Gesicht war ernst, und er wirkte aufrichtig. »Es gibt zwei Sorten Frauen, die sich bei Männern wie Edward oder mir aufhalten und dabei über sie Bescheid wissen. Die einen sind Huren, unabhängig von der Anzahl ihrer Waffen; die anderen bleiben strikt auf die Arbeit konzentriert. Ich nenne sie Madonnen, weil sie nie mit einem schlafen. Sie wollen zu den Kerlen zählen.«
Weitere Kostenlose Bücher