Anita Blake 08 - Göttin der Dunkelheit
weg. »Es passt ganz gut, dass Sie mit dem Opferblut an den Händen zu ihr gehen.«
Ich sah sie an und riss ihr die Serviette aus der Hand. Sie versuchte tatsächlich, sie festzuhalten, sodass es ein kleines Gezerre gab, bis ich das Tuch erobert hatte. In dem Moment erschien eine Frau an meiner Seite. Sie trug einen roten Kapuzenumhang und reichte mir nur bis zur Schulter, doch schon ehe sie den Kopf drehte und ich ihr Gesicht in der Kapuze sah, wusste ich, wer sie war: Itzpapalotl, Obsidianschmetterling, Meister der Stadt und selbsternannte Göttin. Ich hatte nicht bemerkt, dass sie sich näherte, sie weder gehört noch gespürt. Wie aus dem Nichts war sie neben mir. Es war lange her, dass ein Vampir das bei mir hatte machen können. Ich glaube, mir stockte für ein, zwei Sekunden der Atem, als ich ihrem Blick begegnete.
Ihr Gesicht war so zart wie alles an ihr, ihre Haut milchkaffeebraun. Ihre Augen waren schwarz, nicht dunkelbraun, sondern schwarz wie das Obsidian, nach dem sie benannt war. Normalerweise sind die Augen eines Meistervampirs wie abgrundtiefe Gewässer, in die man hineinfällt und nicht mehr rauskommt, aber ihre waren wie schwarze Spiegel, nichts wo man reinfiel, sondern wo man die Wahrheit sah. Ich sah mich selbst darin, ein detailgetreues Miniaturbild wie eine schwarze Kamee. Dann teilte sich das Bild in zwei, dann in drei Teile. Mein Gesicht blieb in der Mitte, an den Seiten erschienen ein Wolfskopf und ein Totenschädel. Während ich hinsah, schoben sich die Bilder ineinander, bis der Wolfs- und der Totenkopf mein Gesicht überlagerten, und einen Moment lang war nicht zu unterscheiden, wo ein Bild aufhörte und das andere anfing.
Eins schwebte über dem anderen. Der Totenschädel tauchte auf durch die Schwärze, füllte ihre Augen aus und wuchs, bis er mein ganzes Blickfeld einnahm. Ich fuhr taumelnd zurück und wäre fast gefallen. Edward fing mich auf. Dallas hatte sich an die Seite des Vampirs gestellt.
Bernardo und Olaf standen hinter Edward, und ich wusste im selben Augenblick, dass sie auf einen Wink von ihm geschossen hätten. Das war ein beruhigender Gedanke. Auch wenn es an Selbstmord grenzte. Denn ich spürte jetzt ihr Gefolge, was bedeutete, dass sie mich blockiert, sie vor mir verborgen hatte. Ich spürte die Vampire unter dem Gebäude durch den Fußboden. Es waren Hunderte, und die meisten waren alt. Jahrhunderte alt. Und Obsidianschmetterling ? Ich sah sie an, vermied es diesmal aber sorgfältig, ihr in die Augen zu sehen. Es war Jahre her, dass ich dem Blick eines Vampirs hatte ausweichen müssen. Ich hatte schon vergessen, wie schwer es war, jemandem ins Gesicht, aber nicht in die Augen zu sehen. Ein ausgefeiltes Spiel, bei dem der Spielpartner meinen Blick einfangen und mich in seinen Bann schlagen will, während ich immer wieder ausweiche.
Sie trug einen glatten schwarzen Pony, das übrige Haar war straff aus dem Gesicht gekämmt und enthüllte zierliche Ohren mit zwei Jadescheiben als Schmuck. Sie war noch zierlicher als ich und Professor Dallas, aber von der Verpackung ließ ich mich nicht täuschen. Der Inhalt war Vampir und gar nicht mal so alt. Ich bezweifelte, dass sie schon tausend Jahre auf dem Buckel hatte. Ich war schon älteren begegnet, viel älteren, aber noch keinem unter Tausend, der mit solcher Macht in meinem Kopf widerhallte. Ihre Kräfte umwehten sie wie eine Wolke, und inzwischen kannte ich mich so weit mit Vampiren aus, dass mir klar war, dass das Echo ihrer Macht keine Absicht war.
Meister mit speziellen Fähigkeiten, die zum Beispiel starke Angst oder Lust erzeugen konnten, sonderten Macht ab wie heißer Kaffee Dampf. Es passierte unwillkürlich, zumindest teilweise. Aber ich war noch keinem begegnet, der so viel Macht, der reine Macht verströmte.
Edward redete mit mir, wahrscheinlich schon eine Weile. Ich hatte ihn nicht gehört. »Anita, Anita, geht es dir gut?« Ich spürte den Druck einer Mündung im Rücken. Die Waffe galt nicht mir, sondern mein Rücken schirmte die Waffe vor Blicken ab. Die Lage konnte ziemlich schnell ziemlich hässlich werden.
»Es geht mir gut.« Aber meine Stimme klang nicht normal. Sie klang hohl und geistesabwesend, als stünde ich unter Schock. Vielleicht war es so, ein bisschen. Sie war nicht in meinen Verstand eingedrungen, aber sie hatte im ersten Kontakt Dinge über mich erfahren, die die meisten Vampire nie herausgefunden hätten. Plötzlich begriff ich, dass sie wusste, welche
Weitere Kostenlose Bücher